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BAG, 29.01.1986 - 4 AZR 529/85 - Zulässigkeit von Einwendungen einer Zwangsvollstreckungsgegenklage im Hinblick auf Vorliegen der Gründe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung; Ablauf der einwöchigen Einspruchsfrist gegen arbeitsgerichtliches Versäumnisurteil unter dem Aspekt einer ordentlichen Zustellung eines Urteils; Voraussetzungen für Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde; Erheblichkeit der Kenntnis oder des Besitzes des Empfängers für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 29.01.1986, Az.: 4 AZR 529/85
Zulässigkeit von Einwendungen einer Zwangsvollstreckungsgegenklage im Hinblick auf Vorliegen der Gründe im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung; Ablauf der einwöchigen Einspruchsfrist gegen arbeitsgerichtliches Versäumnisurteil unter dem Aspekt einer ordentlichen Zustellung eines Urteils; Voraussetzungen für Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde; Erheblichkeit der Kenntnis oder des Besitzes des Empfängers für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung
BAG, 29.01.1986 - 4 AZR 529/85
Tatbestand
1
Die Beklagte war bei dem Kläger in der Zeit vom 25. September 1981 bis 4. Januar 1982 als Küchenhilfe beschäftigt. Zwischen den Parteien kam es vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu mehreren Rechtsstreitigkeiten. In dem Verfahren 11 Ca 150/82 machte die Beklagte gegen den Kläger Lohnansprüche für Dezember 1981 in Höhe von DM 2.000,-- geltend. Dieser Klage gab das Arbeitsgericht durch Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982 statt, das dem Kläger nach der Postzustellungsurkunde am 7. Juni 1982 zugestellt wurde.
2
Wegen einer Kündigung des Klägers kam es zu einem Kündigungsschutzverfahren (15 Ca 13/82), das durch einen Prozeßvergleich vom 11. August 1982 beendet wurde. In diesem Vergleich heißt es:
"1.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete im gegenseitigen Einvernehmen zum 04.01.1982.2.
Der Beklagte zahlt an die Klägerin als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß § 3 Ziff. 9 EStG DM 500,-- brutto für netto.3.
Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem beendeten Arbeitsverhältnis abgegolten.4. ...
5. ..."
3
Mit Schriftsatz vom 7. März 1983 legte der Kläger gegen das Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982 (11 Ca 150/82) Einspruch ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist mit der Begründung, er habe erst zu diesem Zeitpunkt von dem Versäumnisurteil Kenntnis erlangt. In der darauf anberaumten mündlichen Verhandlung vom 10. August 1983 wurde der Einspruch des abermals säumigen Klägers gegen das Versäumnisurteil durch zweites Versäumnisurteil zurückgewiesen (11 Ca 363/83).
4
Seit Oktober 1983 betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982. Der Kläger hält die Zwangsvollstreckung für unzulässig. Er meint, durch Nr. 3 des Vergleichs in dem Rechtsstreit 15 Ca 13/82 sei die titulierte Lohnforderung miterledigt.
5
Der Kläger hat demgemäß beantragt
festzustellen, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil 11 Ca 150/82 des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 1982 unzulässig ist.
6
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Sie meint, Nr. 3 des Vergleichs vom 11. August 1982 beziehe sich nicht auf die titulierte Lohnforderung, sondern betreffe nur alle noch nicht rechtshängigen Ansprüche der Parteien und die in dem Rechtsstreit 15 Ca 13/82 geltend gemachten Ansprüche. Die Abfindung nach Nr. 2 des Vergleichs sei wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes vereinbart worden, aber nicht im Hinblick auf Lohnansprüche für Dezember 1981.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
9
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
10
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Revision.
Gründe
11
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 1982 - 11 Ca 150/82 - ist nicht unzulässig. Denn der Kläger hätte Einwendungen aus dem Vergleich vom 11. August 1982 in dem Verfahren 11 Ca 150/82 (später: 11 Ca 363/83) noch so rechtzeitig geltend machen können, daß das Arbeitsgericht über die Einwendungen hätte befinden müssen.
12
Die Klage ist eine nach § 767 ZPO zulässige Zwangsvollstreckungsgegenklage, da der Kläger Einwendungen gegen den durch das Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982 festgestellten Anspruch der Beklagten geltend macht. Das nach § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage ist gegeben, weil die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreibt.
13
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die vom Kläger erhobenen Einwendungen sind unzulässig, weil die Gründe, auf denen sie beruhen, im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 10. August 1983 bereits vorlagen und in dieser Verhandlung hätten geltend gemacht werden können und müssen (§ 767 Abs. 2 ZPO). Am 10. August 1983 fand die mündliche Verhandlung über den Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982 statt. In dieser Verhandlung hätte sich der Kläger auf den Vergleich vom 11. August 1982 berufen können. Über diese Einwendungen hätte auch verhandelt werden müssen, da das Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982 am 10. August 1983 noch nicht rechtskräftig war und der Kläger rechtzeitig Einspruch gegen das Versäumnisurteil erhoben hat.
14
Der am 8. März 1983 bei Gericht eingegangene Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 14. Mai 1982 ist fristgerecht erhoben worden. Die einwöchige Einspruchsfrist seit Zustellung des Urteils (§ 59 ArbGG) war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen. Denn das Urteil war am 8. März 1983 noch nicht ordnungsgemäß zugestellt. Der von dem Postbeamten am 7. Juni 1982 unternommene Zustellungsversuch war unwirksam. Nach der Postzustellungsurkunde hat zwar der Postbeamte das Urteil im Geschäftslokal des Klägers dessen Angestellter Frau K übergeben. Die darin bezeugte Tatsache, daß Frau K im Zeitpunkt der Übergabe des Urteils Angestellte des Klägers war, ist aber durch die Beurkundung des Postbeamten allein nicht voll bewiesen. Insoweit handelt es sich weder um eine vor dem Beamten abgegebene Erklärung (§ 415 ZPO) noch um eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung (§ 416 ZPO) oder um eine auf eigener Wahrnehmung des Beamten beruhenden Tatsache (§ 418 ZPO), so daß die entsprechenden Vorschriften über die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nicht eingreifen. Der Kläger seinerseits hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, daß eine Frau K niemals bei ihm beschäftigt war. Damit fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils, da die von dem Postbeamten versuchte Ersatzzustellung im Geschäftslokal des Klägers nur an einen dort anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen durfte (§ 183 ZPO).
15
Ob der Kläger Kenntnis von dem Urteil erhielt oder gar in den Besitz einer Urteilsausfertigung gelangt ist, ist unerheblich. Denn zu einer ordnungsgemäßen Zustellung gehört zwingend, daß die gesetzlichen Zustellungsvorschriften - hier: über die Ersatzzustellung - eingehalten werden. Eine Heilung des Zustellungsmangels durch sonstigen Zugang des Versäumnisurteils an den Kläger kommt nicht in Betracht, da durch die Zustellung des Versäumnisurteils die Notfrist für den Einspruch gegen das Versäumnisurteil (§ 59 ArbGG) in Lauf gesetzt werden soll (§ 187 ZPO).
16
Wegen der fehlenden ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils war der Einspruch des Klägers vom 7. März 1983 nicht verspätet. Daher hätte das Arbeitsgericht über den Einspruch am 10. August 1983 verhandeln und Einwendungen des Klägers gegen die Klageforderung berücksichtigen können. Davon ist auch das Arbeitsgericht ersichtlich ausgegangen, da es den Einspruch des Klägers durch das Urteil vom 10. August 1983 nicht als unzulässig verwarf (§ 341 ZPO), wie es bei einem verspäteten Einspruch hätte verfahren müssen.
17
Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht den Vergleich vom 11. August 1982 zutreffend ausgelegt. Der Vergleich erfaßt nicht nach seinem Sinn und Zweck mit der Ausgleichsklausel rechtskräftig erledigte Ansprüche. Auch wenn man entgegen der Auffassung des Senats von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils am 7. Juni 1982 ausgehen und den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers als unbegründet ansehen wollte, könnte die Beklagte daher aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil die Zwangsvollstreckung betreiben.
18
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann
Dr. Feller
Dr. Etzel
Preuße
Pallas
Zwangsvollstreckungsgegenklage nach Versäumnisurteil; Ausgleichsklausel im Vergleich.