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BAG, 28.02.1985 - 2 AZR 87/84 - Erstreben der Beseitigung der durch das vorangegangene Urteil entstandene Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision; Folgen des Erstrebens eines "Mehr" als die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils für die Zulässigkeit der Revision
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 28.02.1985, Az.: 2 AZR 87/84
Erstreben der Beseitigung der durch das vorangegangene Urteil entstandene Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision; Folgen des Erstrebens eines "Mehr" als die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils für die Zulässigkeit der Revision
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Elmshorn - 13.07.1981 - AZ: 2c Ca 1557/81
BAG, 28.02.1985 - 2 AZR 87/84
Redaktioneller Leitsatz:
Die Rechtskraftwirkung eines vorinstanzlichen Urteils und die durch die Rechtsmittelanträge bestimmte Anfallswirkung richtet sich nicht danach, aus welchen Beweggründen eine Prozeßpartei ein Urteil akzeptiert und wegen des Verneinens welcher tatbestandlichen Voraussetzung das Berufungsgericht einer gegen das Urteil gerichteten Berufung stattgibt.
Tatbestand
1
Der am 19. November 1941 geborene Kläger ist geschieden und war seit dem 28. Oktober 1968 bei der Beklagten, die Transportgeräte und Lagereinrichtungen herstellt und vertreibt, als Metallputzer mit einem Stundenlohn von zuletzt 13,96 DM brutto beschäftigt.
2
Nach zahlreichen krankheitsbedingten Fehltagen seit 1978 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 23. Juli 1981 ordentlich und bot ihm zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als "Kalfaktor" an. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Arbeitsgericht Elmshorn mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Juli 1981 - 2 c Ca 1557/81 - statt. Ein weiteres Angebot der Beklagten, das Arbeitsverhältnis als Kalfaktor fortzusetzen, lehnte der Kläger mit Schreiben vom 21. Dezember 1981 wiederum ab. Daraufhin stellte die Beklagte zum 1. Juli 1982 einen Arbeitnehmer für diese täglich 5 1/4 Stunden Arbeitszeit erfordernde Tätigkeit ein.
3
Nach Anhörung des Betriebsrates, der der Kündigung widersprach, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31. August 1982 wegen Arbeitsmangels.
4
Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung. Er hat vorgetragen, die Kündigung sei weder durch Gründe in seiner Person noch in seinem Verhalten noch durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt. Abgesehen davon, daß die auf Arbeitsmangel gestützte Kündigung durch eine Erweiterung der Kurzarbeit vermeidbar gewesen wäre, hätte er ohne weiteres die Tätigkeit des Kalfaktors fünf Stunden täglich verrichten und in den restlichen drei Stunden als Metallputzer arbeiten oder andere Arbeiten, die er auch früher schon verrichtet hätte, ausführen können. Darauf, daß dieser Platz nicht mehr frei gewesen sei, komme es nicht an. Auch wenn die Beklagte ihm die Stelle im Dezember 1981 vergeblich angeboten habe, hätte sie zumindest vor Ausspruch einer Kündigung eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Jedenfalls stehe ihm aber wegen einer von der Beklagten vorgenommenen Betriebseinschränkung durch Personalabbau eine Abfindung gemäß § 113 BetrVG zu. Unerheblich sei, wie im einzelnen und in welchem Zeitraum der Personalabbau zustande gekommen sei, da insoweit ein einheitliches wirtschaftliches Geschehen vorgelegen habe.
5
Der Kläger hat beantragt
- 1.
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Juli 1982 nicht zum 31. August 1982 aufgelöst werden wird, sondern fortbesteht;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31. August 1982 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Metallputzer weiterzubeschäftigen;
- 3.
6
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, die Kündigung sei infolge Auftrags- und Umsatzrückganges erforderlich geworden. Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit des Klägers im Betrieb sei mangels eines unbesetzten Arbeitsplatzes nicht gegeben gewesen. Die Tätigkeit als Kalfaktor sei mit der des Klägers von der täglichen Arbeitszeit und der erheblich geringeren Vergütung her nicht vergleichbar. Der Kläger habe auch erstmals etwa zwei Monate nach Ausspruch der Kündigung seine Bereitschaft zur Übernahme dieser Arbeit erklärt, nachdem er gegen eine entsprechende Änderungskündigung zuvor erfolgreich geklagt und ein weiteres diesbezügliches Angebot abgelehnt habe. Gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit habe sie es zudem nicht verantworten können, auch für den Kläger Kurzarbeit zu beantragen. Eine Betriebseinschränkung habe nicht vorgelegen, da sie nur durch einzelne Maßnahmen auf konjunkturelle Schwankungen reagiert habe.
7
Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. August 1982 aufgelöst, die Beklagte gemäß §§ 9, 10 KSchG zur Zahlung einer Abfindung von 4.200,00 DM verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz seinen Abfindungsanspruch hilfsweise auch auf § 113 BetrVG gestützt. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage auch im übrigen abgewiesen.
8
Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 1982 erst zum 30. September 1982 aufgelöst worden ist. Hilfsweise beantragt er, den Rechtsstreit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeiter in § 622 Abs. 2 BGB auszusetzen.
Gründe
9
Die Revision ist unzulässig.
10
1.
Durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger zwar sowohl im formellen als auch im materiellen Sinne beschwert (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 43. Aufl., Grundz. § 511 Anm. 3 A; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., Allg. Einl. vor § 511 Rz 46 ff.; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., Vorbem. § 511 Anm. IV 2), da es das zu seinen Gunsten ergangene erstinstanzliche Urteil zu seinem Nachteil abgeändert und seinem Antrag, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, nicht entsprochen hat. Die Revision ist aber deshalb nicht statthaft, weil der Kläger damit nicht die Beseitigung seiner Beschwer durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts erstrebt (BAG Urteil vom 29. Oktober 1960 - 5 AZR 581/59 - AP Nr. 3 zu § 511 ZPO; BGHZ 52, 169, 171; BGH NJW 1983, 179; Stein/Jonas/Grunsky, aaO., Rz 47; Zöller/Schneider, ZPO, 14. Aufl., vor § 511 Rz 8).
11
2.
Die Grenze der Beschwer einer Prozeßpartei durch ein Berufungsurteil wird dadurch gezogen, inwieweit das Urteil des Arbeitsgerichts durch die dagegen eingelegte Berufung der Berufungsinstanz angefallen ist (§ 537 ZPO). Vorliegend hat das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten - entsprechend dem klägerischen Antrag - zum 31. August 1982 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung verurteilt. Es hat damit zugleich festgestellt, daß die Kündigung der Beklagten vom 29. Juli 1982 gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt ist (BAG Urteil vom 9. Dezember 1955 - 1 AZR 531/54 - AP Nr. 2 zu § 7 KSchG; BAG 21, 221, 228; KR-Becker, 2. Aufl., § 9 KSchG Rz 84). Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte, nicht aber auch der Kläger Berufung eingelegt; der Kläger hat auch keine Anschlußberufung eingelegt. Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist das Urteil des Arbeitsgerichts dem Kläger gegenüber rechtskräftig geworden. Auch wenn das Landesarbeitsgericht dem Antrag des Klägers und Berufungsbeklagten, die Berufung zurückzuweisen, stattgegeben hätte, wäre es somit bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien mit dem 31. August 1982 geblieben. Mehr als die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils kann der Kläger mit der Revision aber nicht erreichen. Mit dem Antrag, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landesarbeitsgerichts festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung der Beklagten erst zum 30. September 1982 aufgelöst worden ist, begehrt er mithin die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts auch in einem Punkt, der gar nicht Entscheidungsgegenstand war; er begehrt damit eine Feststellung, die nicht seine Beschwer durch dieses Urteil beseitigen soll, sondern ein anderes Ziel verfolgt. Für die verfahrensrechtlichen Fragen der Anfallswirkung und der Beschwer kommt es auch nicht darauf an, daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Gerichtsurteil gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG materiell-rechtlich mit der Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung zu verbinden ist. Die Rechtskraftwirkung eines vorinstanzlichen Urteils und die durch die Rechtsmittelanträge bestimmte Anfallswirkung richtet sich nicht danach, aus welchen Beweggründen eine Prozeßpartei ein Urteil akzeptiert und wegen des Verneinens welcher tatbestandlichen Voraussetzung das Berufungsgericht einer gegen das Urteil gerichteten Berufung stattgibt.
12
3.
Die Revision war daher nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen (§ 554 a Abs. 1 ZPO).
Dr. Röhsler,
Triebfürst, zugleich für den durch Urlaub an der Unterschriftsleistung verhinderten Vorsitzenden Richter Hillebrecht
Strümper,
Baerbaum