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BAG, 29.04.2003 - 3 AZR 247/02 - Anspruch auf Weihnachtsgeld für Betriebsrentner aus betrieblicher Übung; Voraussetzungen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung; Regelungsbereich der "betrieblichen Übung" im Zusammenhang mit Ansprüchen der betrieblichen Altersversorgung; Anforderungen einer Vorbehaltserklärung bei der Weihnachtsgeldzahlung; Wirksamkeit des Widerrufs der Weihnachtsgeldzahlung wegen Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern aus dem bisherigen Unternehmensteil bei Unternehmenszusammenführung
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 29.04.2003, Az.: 3 AZR 247/02
Betriebliche Übung: Auch Betriebsrentner müssen vertrauen können
Auch Betriebsrentnern kann Weihnachtsgeld auf Grund betrieblicher Übung zustehen. (Hier hatte ein Unternehmer, der einen Betrieb übernommen hatte, in dem viele Jahre an Betriebsrentner freiwillig Weihnachtsgeld gezahlt worden war, die Übung noch ein Jahr lang fortgeführt, dann aber die Leistung für die Zukunft gekündigt, weil die eigenen Betriebsrentner solche Sonderzuwendung nicht erhielten.)
Quelle: Wolfgang Büser
Anspruch auf Weihnachtsgeld für Betriebsrentner aus betrieblicher Übung; Voraussetzungen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung; Regelungsbereich der "betrieblichen Übung" im Zusammenhang mit Ansprüchen der betrieblichen Altersversorgung; Anforderungen einer Vorbehaltserklärung bei der Weihnachtsgeldzahlung; Wirksamkeit des Widerrufs der Weihnachtsgeldzahlung wegen Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern aus dem bisherigen Unternehmensteil bei Unternehmenszusammenführung
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Duisburg 5 Ca 920/01 vom 22. 06. 2001
ArbG Duisburg - 24.08.2001- AZ: 5 Ca 920/01
LAG Düsseldorf - 18.01.2002 - AZ: 14 Sa 1339/01
Fundstellen:
ArbRB 2004, 8 (Volltext mit amtl. LS)
BAGReport 2004, 17-19
EzA-SD 24/2003, 15
FA 2004, 53 (amtl. Leitsatz)
FAr 2004, 53
NZA 2004, 1182 (red. Leitsatz)
SAE 2004, 78
BAG, 29.04.2003 - 3 AZR 247/02
Redaktioneller Leitsatz:
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist die betriebliche Übung als Rechtsquelle vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden (§ 1 b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG, § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG a.F.). Die betriebliche Übung kann darin bestehen, dass im Versorgungsfall an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen erbracht werden. Solche Arbeitnehmer können darauf vertrauen, dass die Übung nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt wird. Weiterhin ist anerkannt, dass eine betriebliche Übung auch noch nach Eintritt des Versorgungsfalles zustande kommen kann.
Aus betrieblicher Übung können sich auch Ansprüche auf eine bestimmte Berechnungsweise der Betriebsrente, auf Anpassung der Betriebsrente über § 16 BetrAVG hinaus oder auf ein 13. Ruhegehalt ergeben. Dies gilt grundsätzlich auch für Leistungen, die in der Leistungsordnung nicht vorgesehen sind. Auch auf die Fortgewährung einer zunächst nicht vorgesehenen, aber im Laufe der Zeit üblich gewordenen Leistung darf vertraut werden. Das gilt dann nicht, wenn die Leistungen in fehlerhafter Anwendung der Leistungsordnung erbracht wurden.
Die oben genannten Grundsätze gelten auch für die Zahlung von Weihnachtsgeld an Betriebsrentner.
Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke,
die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Breinlinger sowie
die ehrenamtlichen Richter Reissner und Schoden
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Januar 2002 -14 Sa 1339/01 - wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Zahlung eines "Weihnachtsgeldes" für Betriebsrentner in Höhe von 250,00 DM brutto für das Jahr 2000.
2
Die am 25. Mai 1932 geborene Klägerin war seit 1957 bei der R GmbH D als Angestellte beschäftigt. Für ihre betriebliche Altersversorgung wurde sie von der Arbeitgeberin zum Essener Verband angemeldet. Damit galten für sie nicht die Bestimmungen der jeweiligen betrieblichen "Pensionsordnungen". Die Pensionsordnung vom 1. Januar 1990 sah eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 5,00 DM pro Dienstjahr vor und lehnte sich im Übrigen an die Pensionsordnung der T AG vom 1. Oktober 1988 an, auch was die Auslegung und Handhabung durch die R GmbH D anbelangte. Auf Grund ihrer Anmeldung zum Essener Verband erhielt die Klägerin nach Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1993 eine wesentlich höhere Betriebsrente, nämlich in den Jahren 1996 bis 1998 monatlich jeweils über 800,00 DM.
3
Darüber hinaus zahlte die Arbeitgeberin an die Klägerin und an alle Betriebsrentner - also auch an die unter die betriebliche Pensionsordnung 1990 fallenden - wie schon seit mehreren Jahrzehnten auch in den Jahren 1993 bis 1998 mit der Betriebsrentenzahlung für November eine Sonderzuwendung in Höhe von 250,00 DM. Diese war weder in der Pensionsordnung 1990 noch in der Leistungsordnung des Essener Verbandes vorgesehen. Dafür wurden zunächst gesonderte, handschriftliche Abrechnungen erteilt, in denen die Zahlung als "Sonderzuwendung" bezeichnet wurde. Von 1996 bis 1998 wurde die Sonderzuwendung als "Weihnachtsgeld" in die maschinelle Rentenabrechnung aufgenommen. Zum 1. Januar 1999 wurde die R GmbH D mit der Beklagten verschmolzen. Unter dem 12. November 1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zwar auf freiwilliger Basis das Weihnachtsgeld in Höhe von 250,00 DM im Dezember 1999 noch einmal zahle, dass dieses aber ab 2000 entfallen werde, da ihre Werksrentner ein Weihnachtsgeld bereits seit mehreren Jahren nicht mehr bezögen und sie die Gleichbehandlung aller Betriebsrentner erreichen wolle. Demgemäß lehnte die Beklagte eine Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2000 ab.
4
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aus betrieblicher Übung stehe ihr ein Anspruch auf Weihnachtsgeldzahlung weiterhin zu.
5
Sie hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 127,82 Euro (250,00 DM) brutto zu zahlen.
6
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Gegenüber Betriebsrentnern könne grundsätzlich keine betriebliche Übung mit anspruchsbegründender Wirkung entstehen. Zahlungen an Betriebsrentner könnten schon deswegen keinen vertrauensbildenden Sachverhalt darstellen, weil dadurch keine Anreize zur Leistungssteigerung oder zu fortdauernder Betriebstreue gegeben werden könnten. Zudem könne gegenüber Betriebsrentnern eine betriebliche Übung nicht mehr durch Änderungskündigung oder ablösende Betriebsvereinbarung abgeändert werden. Schließlich habe die an alle aktiven Belegschaftsmitglieder wie an alle Betriebsrentner gleichartig und in gleicher Höhe geleistete Sonderzahlung den Charakter eines freiwilligen "Geschenkes" zu Weihnachten gehabt.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war erfolgreich. Mit der Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.
Entscheidungsgründe
9
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Aus betrieblicher Übung kann die Klägerin von der Beklagten weiterhin die Zahlung des "Weihnachtsgeldes" in Höhe von 250,00 DM (127,82 Euro) verlangen. Der von der Beklagten im November 1999 erklärte Widerruf dieser Leistung ist unwirksam.
10
I.
Entgegen der Auffassung der Revision kann die Klägerin auch als Betriebsrentnerin grundsätzlich ihre Ansprüche auf betriebliche Übung stützen.
11
1.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die betriebliche Übung ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt (25. Juni 2002 - 3 AZR 360/01 -AP BetrAVG § 16 Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 3, zu B l 1 der Gründe; 16. Juli 1996 -3 AZR 352/95- AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 1). Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen kann (BAG 26. Mai 1993 - 4 AZR 130/93 - BAGE 73, 191, 199 [BAG 26.05.1993 - 4 AZR 130/93]) [BAG 26.05.1993 - 4 AZR 130/93].
12
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist die betriebliche Übung als Rechtsquelle vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden (§ 1 b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG, § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG a.F.). Danach steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage eine auf betrieblicher Übung beruhende Versorgungsverpflichtung gleich. Die betriebliche Übung kann darin bestehen, dass im Versorgungsfall an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen erbracht werden. Die verpflichtende Wirkung einer betrieblichen Übung tritt zu Gunsten derjenigen aktiven Arbeitnehmer ein, die unter ihrer Geltung in dem Betrieb gearbeitet haben. Solche Arbeitnehmer können darauf vertrauen, dass die Übung nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt wird (BAG 16. Juli 1996 - 3 AZR 352/95 - AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 1; 30. Oktober 1984 -3 AZR 236/82- BAGE 47, 130). Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine betriebliche Übung auch noch nach Eintritt des Versorgungsfalles zustande kommen kann (BAG 20. Juni 2000 - 3 AZR 842/98 -, zu B II2 b a.A. der Gründe).
13
Aus betrieblicher Übung können sich auch Ansprüche auf eine bestimmte Berechnungsweise der Betriebsrente (BAG 23. April 2002 - 3 AZR 224/01 - AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 2), auf Anpassung der Betriebsrente über § 16 BetrAVG hinaus (BAG 20. Juni 2000 -3 AZR 842/98-) oder auf ein 13. Ruhegehalt (BAG 30. Oktober 1984 -3 AZR 236/82 - BAGE 47, 130) ergeben. Dies gilt grundsätzlich auch für Leistungen, die in der Leistungsordnung nicht vorgesehen sind. Auch auf die Fortgewährung einer zunächst nicht vorgesehenen, aber im Laufe der Zeit üblich gewordenen Leistung darf vertraut werden (BAG 30. Oktober 1984 -3 AZR 236/82 - a.a.O.). Das gilt dann nicht, wenn die Leistungen in fehlerhafter Anwendung der Leistungsordnung erbracht wurden (BAG 23. April 2002 -3 AZR 224/01 - a.a.O.).
14
2.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Der Einwand, gegenüber Betriebsrentnern könne es schon deswegen keine betriebliche Übung mehr geben, weil mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien keine vertraglichen Bande mehr bestünden, somit die Grundlage für ein im Arbeitsverhältnis noch schützwürdiges Vertrauen entfallen sei und sich die gleichwohl gewährten Leistungen als freiwillig darstellten, vermag nicht zu überzeugen. Es trifft nicht zu, dass nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zwischen den Betriebsrentnern und den Versorgungsschuldnern keine vertraglichen Rechtsbeziehungen mehr bestünden. Das Ruhestandsverhältnis ist eine auf dem Arbeitsverhältnis beruhende Rechtsbeziehung, die über das Ausscheiden des Arbeitnehmers hinausreicht und dieses häufig sogar voraussetzt (BAG 20. Juni 2000 - 3 AZR 842/98 -, zu BII2 b a.A. der Gründe).
15
Entgegen der Revision lassen sich Betriebsrentenansprüche aus betrieblicher Übung auch nicht deshalb verneinen, weil zur Abänderung oder Ablösung derartiger Ansprüche das Instrumentarium der Änderungskündigung oder der kollektivvertraglichen Abänderung regelmäßig nicht zur Verfügung stehe. Grundsätzlich kann nicht wegen der Schwierigkeiten, einen Anspruch zu beseitigen oder zu verändern, seine Entstehung geleugnet werden. Zwar kann ein Betriebsrentenverhältnis nicht gekündigt werden, weswegen eine Änderungskündigung ausscheidet. Auch wirken Betriebsvereinbarungen nach ständiger Rechtsprechung nur für und gegen Betriebsangehörige. Andererseits sind betriebsrentenrechtliche Ansprüche auf Grund betrieblicher Übung nicht solche minderer Qualität oder geringerer Bestandskraft (BAG 30. Oktober 1984 -3 AZR 236/82 - BAGE 47, 130, zu II 1 a der Gründe). Im Übrigen hat der Senat stets darauf hingewiesen, dass Art, Bedeutung und Begleitumstände der üblich gewordenen Leistung bei der Bestimmung des Inhalts einer betrieblichen Übung zu berücksichtigen sind. Daraus können sich im Einzelfall Bedingungen, Änderungs- oder Widerrufsvorbehalte ergeben.
16
II.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat mit der Zahlung der 250,00 DM eine
17
betriebliche Übung begründet.
18
Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, zahlte die R GmbH seit "mehreren Jahrzehnten" an alle Betriebsrentner, darunter auch für die Dauer von sechs Jahren an die Klägerin, zum Ende des Jahres einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 250,00 DM brutto. Dies geschah auch vorbehaltlos. Will der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht, ist nicht entscheidend. Jedoch muss der Vorbehalt deutlich zum Ausdruck kommen. Von der Rechtsvorgängerin der Beklagten sind im Zusammenhang mit der Auszahlung keine ergänzenden Erklärungen abgegeben worden. Es war nicht erkennbar, dass sie sich vorbehalten hat, jährlich neu darüber zu entscheiden, ob sie ein Rentnerweihnachtsgeld auszahlen wolle. Der von der Beklagten selbst bei Auszahlung des Betrages im Jahr 1999 erklärte Vorbehalt "der Freiwilligkeit" war nicht geeignet, die bereits seit langem auf betrieblicher Übung begründeten Ansprüche der Betriebsrentner zu beseitigen.
19
Das Rentnerweihnachtsgeld ist Teil der betrieblichen Altersversorgung. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung solche der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die wegen eines Arbeitsverhältnisses zugesagt werden. Dabei muss die Zusage zum Zwecke der Versorgung gemacht werden, welche durch die biologischen Ereignisse Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst werden soll (BAG 3. November 1998 -3 AZR 454/97- BAGE 90, 120, 122 f.). Das ist hier der Fall. Das Rentnerweihnachtsgeld wird nur den Ruhegeldempfängern der Beklagten gewährt, dient also deren Altersversorgung und ist vom Arbeitgeber aus Anlass des vorausgegangenen Arbeitsverhältnisses geleistet worden.
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Die Ansicht der Revision, in Anbetracht der geringen Höhe der gewährten Leistung könnten Arbeitnehmer und Betriebsrentner diese nicht als materiell ins Gewicht fallend ansehen und letztlich nur als Annehmlichkeit auffassen dürfen, was den Schluss verbiete, die Leistung werde auch zukünftig gewährt werden, vermag nicht zu überzeugen. Es trifft zwar zu, dass sich Arbeitnehmer oder Versorgungsempfänger umso eher auf den regelmäßigen Bezug einer Leistung einrichten, je höher sie ist. Ein auf betrieblicher Übung beruhender Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung setzt aber nicht voraus, dass diese "maßgeblich für die Lebensführung ins Gewicht fallen". Das ergibt sich bereits aus § 3 BetrAVG, der die Abfindung geringwertiger Anwartschaften regelt. Zudem wäre eine solche Bezugsgröße unklar, weil offen bliebe, ob dies im Verhältnis zur Betriebsrente, zur Gesamtversorgung oder zur Summe der Gesamteinkünfte zu sehen ist. Im Streitfall ist weiter zu berücksichtigen, dass ein Weihnachtsgeld in dieser Höhe alle Betriebsrentner erhalten, auch diejenigen, die nach der Pensionsordnung vom 1. Januar 1990 weit geringere monatliche Betriebsrenten erhalten als die Klägerin, das Weihnachtsgeld für sie also ein erheblich höheren Stellenwert hat. Eine unterschiedliche Qualifikation der einheitlich gegenüber allen Betriebsrentnern erbrachten Leistung scheidet jedoch aus.
21
Auch der Umstand, dass alle Betriebsrentner unabhängig von der Höhe ihres früheren Arbeitsverdienstes und ihrer Betriebsrente und unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit denselben Betrag erhielten, spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu differenzieren.
22
III.
Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass der von der Beklagten mit Schreiben vom November 1999 erklärte Widerruf der Weihnachtsgeldzahlung rechtsunwirksam ist. Vorliegend hat sich die Beklagte zur Begründung des Widerrufs ausschließlich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und darauf bezogen, dass ihre eigenen Betriebsrentner schon vor der Verschmelzung mit der R GmbH D seit Jahren dieses Weihnachtsgeld nicht mehr erhielten. Es kann dabei dahinstehen, ob im Bereich der betrieblichen Altersversorgung der Gleichbehandlungsgrundsatz überhaupt zum Widerruf von Versorgungsleistungen führen kann. Denn die Beklagte verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz gerade dadurch, dass sie ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln sucht, in dem sie sie nach unten nivelliert. Entsprechend der unterschiedlichen Herkunft ihrer Betriebsrentner aus zwei verschiedenen Unternehmen hat sie jedoch deren unterschiedliche rechtliche Besitzstände zu achten und auch künftig Leistungen unterschiedlich zu gewähren. Dem entspricht es, dass die ursprünglich bereits zur Beklagten gehörenden Betriebsrentner nicht ihre schon seit Jahren weggefallene Weihnachtsgeldzahlung mit dem Argument wieder aufleben lassen können, andere Betriebsrentner, nämlich die von der R GmbH D hinzugekommenen, erhielten diese Zahlung weiterhin.
Reinecke
Kremhelmer
Breinlinger
Reissner
Schoden
Parallelverfahren:
BAG - 29.04.2003 - AZ: 3 AZR 339/02
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