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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Entgeltfortzahlung - Aufwendungsausgleich
Entgeltfortzahlung - Aufwendungsausgleich
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber hat bisweilen schwer unter der finanziellen Last Entgeltfortzahlung zu tragen. Die Bundesregierung hatte in diesem Punkt ein Einsehen und hat das lange Zeit noch im Rest-LFZG versteckte Erstattungsrecht geändert. Das "Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze" vom 22.12.2005 (BGBl. I 2005, S. 3686 ff.) schafft seit Jahren Abhilfe - wenn auch nicht für alle: "Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung" - kurz Aufwendungsausgleichsgesetz oder AAG - heißt das Regelwerk, das ab dem 01.01.2006 für eine gerechtere Verteilung von Krankheits- und Mutterschaftskosten sorgt und zuletzt mit Art. 6 Abs. 10 des Gesetzes vom 23.05.2017 (BGBl. I S. 1228) geändert wurde.
Praxistipp:
Für Arbeitgeber und Personaler ist auf den ersten Blick oft nicht klar, welches Arbeitsentgelt im U1-Verfahren erstattet wird. Bevor man bestimmte Positionen erst gar nicht ansetzt, sollte man auftauchende Fragen rechtzeitig mit dem zuständigen Krankenversicherer klären. So gibt es beispielsweise auch eine Erstattung für die Entgeltbestandteile, die für eine Entgeltumwandlung zugunsten betrieblicher Altersversorgung verwendet werden.
Das AAG bezweckt die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen die aus Anlass von Entgeltfortzahlung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 EZFG sowie § 9 EFZG und wegen Leistungen nach dem MuSchG - §§ 18, 20 MuSchG - entstehen (s. dazu Gliederungspunkt 2.). Der erste Anwendungsfall betrifft Arbeitgeber bis zu 30 Arbeitnehmern, der zweite Anwendungsfall betrifft jeden Arbeitgeber - unabhängig von seiner Größe. Die Mittel für den Aufwendungsausgleich werden von den Arbeitgebern in Umlageverfahren selbst aufgebracht. Für die EFZG-Entgeltfortzahlung gibt es das U1-, für die MuSchG-Leistungen das U2-Verfahren (s. dazu Gliederungspunkt 3.). Die Erstattungsansprüche des Arbeitgebers betreffen die im AAG angesprochenen Leistungen (s. dazu Gliederungspunkt 4. und das Stichwort Aufwendungsausgleich - Erstattungsanspruch). Während die MuSchG-Leistungen voll erstattet werden, gibt es bei der Entgeltfortzahlung maximal 80 Prozent.
2. Zweck des Gesetzes
Das Gesetz regelt die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für die
Entgeltfortzahlung bei Beschäftigungsverboten nach § 18 MuSchG,
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 3 Abs. 1 u. 2, 9 Abs. 1 EFZG und
Zuschusszahlung zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 MuSchG.
Das BVerfG hatte bereits mit Beschluss vom 18.11.2003 (BVerfG, 18.11.2003 - 1 BvR 302/96) die Verfassungswidrigkeit der alten LFZG-Regelung festgestellt. Frauen in größeren Betrieben würden dadurch nach BVerfG-Auffassung benachteiligt: Da alle Arbeitgeber Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten und Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld zahlen müssen, stelle das im LFZG vorgeschriebene Ausgleichs- und Erstattungsverfahren wegen seiner Begrenzung auf Kleinunternehmen keinen hinreichenden, verfassungskonformen Ausgleich dar.
Das AAG soll nun dafür sorgen, dass alle Arbeitgeber am Erstattungsverfahren für Aufwendungen nach §§ 18, 20 Abs. 1 MuSchG teilnehmen. Was die Erstattung von Aufwendungen für Entgeltfortzahlung anbelangt: Während das LFZG nur die Entgeltfortzahlung an Arbeiter regelte, hat der Gesetzgeber nun auch die Entgeltfortzahlung für Angestellte in den Aufwendungsausgleich gepackt. Hier blieb es allerdings bei der Beschränkung auf Arbeitgeber, "die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer" beschäftigen (§ 1 Abs. 1 AAG - s. dazu auch das Stichwort Aufwendungsausgleich - Arbeitgebergröße).
3. Zwei Verfahren: U1- und U2-Umlage
Das AAG sieht zwei unterschiedliche Verfahren vor:
U1 betrifft die Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 Abs. 1 AAG (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Aufwendungsausgleich - U1-Verfahren)
U2 betrifft die Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 Abs. 2 AAG (Entgeltfortzahlung bei Beschäftigungsverboten, Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld - Aufwendungsausgleich - U2-Verfahren)
Arbeitgeber, die ohne Azubis nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigen, nehmen am U1-Verfahren teil (zur Berechnung der Arbeitnehmerzahl s. § 3 Abs. 1 AAG und das Stichwort Aufwendungsausgleich - Arbeitgebergröße). Am U2-Verfahren nehmen alle Arbeitgeber - und das unabhängig von der Unternehmensgröße - teil. Bei der U2-Umlage kommt es auch nicht darauf an, ob ein Arbeitgeber nur Männer, nur Frauen oder Männer und Frauen beschäftigt. In § 1 Abs. 3 AAG heißt es sogar ausdrücklich: "Am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach den Absätzen 1 (U1-Verfahren) und 2 (U2-Verfahren) nehmen auch die Arbeitgeber teil, die nur Auszubildende beschäftigen." Die Verfahren werden vielfach auch als Entgeltfortzahlungsversicherung bezeichnet.
Für das U1-Verfahren gibt es in § 3 Abs. 1 AAG ein spezielles Schema für die Berechnung der Arbeitgebergröße. Beim U2-Verfahren braucht kein besonderer Maßstab angelegt zu werden - hier sind alle Arbeitgeber in die Pflicht genommen. Die Mittel zur Durchführung beider Verfahren werden durch Umlagen aufgebracht (§ 7 Abs. 1 AAG, s. dazu auch die Stichwörter Aufwendungsausgleich - U1-Verfahren und Aufwendungsausgleich - U2-Verfahren).
Praxistipp:
Beim U1-Verfahren kann schnell Streit darüber entstehen, ob ein Unternehmen zum Kreis der Umlagepflichtigen gehört. Auf der einen Seite bekommt es den Vorteil Erstattung, auf der anderen Seite muss es sich diesen Vorteil mit der Umlage unter Umständen teuer erkaufen. Die Frage, ob ein Arbeitgeber wegen seiner Mitarbeiterzahl tatsächlich umlagepflichtig ist, sollte daher sorgfältig überprüft werden.
Nimmt ein Betrieb seine Tätigkeit erst im laufenden Kalenderjahr auf, kommt er in das U1-Verfahren, wenn nach der Art des Betriebs anzunehmen ist, dass die Zahl der beschäftigten Mitarbeiter während des Kalenderjahrs die 30 nicht übersteigt (§ 3 Abs. 1 AAG - s. dazu auch das Stichwort Aufwendungsausgleich - Erstattungsanspruch).
4. Die Erstattungsansprüche des Arbeitgebers
Die Krankenkassen erstatten Arbeitgebern mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern (s. dazu das Stichwort Aufwendungsausgleich - Arbeitgebergröße) im U1-Verfahren 80 Prozent
des nach §§ 3 Abs. 1 u. 2, 9 Abs. 1 EFZG fortzuzahlenden Arbeitsentgelts (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG) und
der auf dieses Entgelt entfallenden vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge für die Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AAG - s. dazu auch: Aufwendungsausgleich - Erstattungsanspruch).
Im U2-Verfahren erstatten die Krankenkassen allen Arbeitgebern in vollem Umfang
die nach § 20 Abs. 1 MuSchG gezahlten Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG),
das nach § 18 MuSchG bei Beschäftgungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG) und
die auf die Arbeitsentgelte nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG gezahlten Beiträge für die Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AAG - s. dazu auch das Stichwort Aufwendungsausgleich - Erstattungsanspruch).
Landwirtschaftliche Krankenkassen sind vom U1- und U2-Verfahren ausgenommen. Für die Landwirtschaft gibt es eine besondere gesetzliche Regelung, das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG). Weitere Ausnahmen gibt es nach § 11 AAG für bestimmte öffentliche Arbeitgeber (so sind z.B. Bund, Länder und Gemeinden vom U1-Verfahren ausgeschlossen - § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG; auch Dienststellen der bei uns stationierten ausländischen Truppen nehmen weder am U1- noch am U2-Verfahren teil - § 11 Abs. 2 Nr. 2 AAG).
Weitere Informationen zum Thema Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen sind in den Stichwörtern Aufwendungsausgleich - Allgemeines ff. mit Rechtsprechung-ABCs hinterlegt.