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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Zu § 18 SGB XI Tit. 4.3 RdSchr. vom 20.12.2022, Fristüberschreitung
Zu § 18 SGB XI Tit. 4.3 RdSchr. vom 20.12.2022
Gemeinsames Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI
Zu § 18 SGB XI – Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit → Zu § 18 SGB XI Tit. 4 – Bearbeitungs- und Begutachtungsfristen
Zu § 18 SGB XI Tit. 4.3 RdSchr. vom 20.12.2022 – Fristüberschreitung
(1) Die Pflegekasse ist zur unverzüglichen Zahlung von 70,00 EUR für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung an den Antragsteller verpflichtet, sofern sie den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt oder eine der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen (eine bzw. zwei Wochen) nicht eingehalten hat. Die Zahlungspflicht gilt nicht für Wiederholungs- oder Widerspruchsgutachten und befristete Leistungsbewilligungen oder wenn sich der Antragsteller in stationärer Pflege befindet und bereits eine mindestens erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist. Die Fristberechnung erfolgt auf der Grundlage des § 26 SGB X i. V. m. den §§ 187 ff BGB.
Beispiel 1
Es gilt die 25-Arbeitstage-Frist
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse | am 26.03. |
Fristbeginn | am 27.03. |
Fristende | am 03.05. |
Bescheiddatum | am 07.05. |
Ergebnis:
Die Pflegekasse hätte den Bescheid über den Antrag des Versicherten bis spätestens zum 03.05. erteilt haben müssen. Da der Bescheid jedoch am 07.05. erteilt wurde, hat die Pflegekasse die 25-Arbeitstage-Frist überschritten. Da sie die Verzögerung zu vertreten hat, ist sie zur Zahlung von 70,00 EUR verpflichtet.
(2) Die Zahlungspflicht besteht nur gegenüber dem Antragsteller. Antragsteller ist immer der Versicherte, der den Antrag gestellt hat oder für den der Antrag von einem Dritten als Vertreter gestellt wurde. Der Begriff des Antragstellers wird auch an anderer Stelle im XI. Buch des Sozialgesetzbuches - z. B. in § 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XI - synonym für die Versicherten verwendet, die den Anspruch geltend machen oder für die er geltend gemacht wurde.
Die Zahlung wegen Fristüberschreitung ist keine "Pflegeleistung" im Sinne des SGB XI. Heilfürsorge- und Beihilfeberechtigte erhalten daher die Zahlung wegen Fristüberschreitung in voller Höhe. Weil es sich bei der Zusatzzahlung nicht um eine Leistung der Pflegeversicherung nach § 28 SGB XI handelt, kann sie nicht Gegenstand der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I oder der Vererbung nach § 58 SGB I werden.
Die Zahlungspflicht entsteht auch, wenn eine der unter Ziffer 4.1 genannten verkürzten Begutachtungsfristen überschritten wird. Die Pflegekasse hat dem Antragsteller unverzüglich nach Eingang des Gutachtens des MD oder des von ihr beauftragten Gutachters die Entscheidung schriftlich mitzuteilen.
Beispiel 2
Teil 1
Der Versicherte befindet sich im Krankenhaus und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt.
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse | am 12.11. |
Fristbeginn | am 13.11. |
Fristende | am 19.11. |
Begutachtung | am 22.11. |
Ergebnis:
Aufgrund des Aufenthaltes im Krankenhaus und der Ankündigung der Inanspruchnahme von Pflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche. Die Frist beginnt einen Tag nach Eingang des Antrags des Versicherten am 13.11. und endet am 19.11. Die Begutachtung durch den MD erfolgt erst am 22.11. und damit nicht innerhalb der 1-Wochen-Frist. Da die Pflegekasse die Verzögerung zu vertreten hat, ist sie zur Zahlung von 70,00 EUR verpflichtet.
Teil 2
Wie in Teil 1 befindet sich der Versicherte im Krankenhaus und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt. Der Antrag geht am 12.11. bei der Pflegekasse ein. Die Begutachtung durch den MD erfolgt am 16.11.2018. Das Gutachten ging bei der Pflegekasse am 22.11. ein. Am 26.11. wird dem Versicherten der Bescheid über den Antrag erteilt.
Ergebnis:
Wie in Teil 1 gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche. Der Beginn der Frist zur Begutachtung ist am 13.11., einen Tag nach Antragseingang bei der Pflegekasse. Der Leistungsbescheid wird zwar erst am 26.11.2018 erteilt, da das Gutachten am 22.11. bei der Pflegekasse einging. Die Begutachtung erfolgte jedoch am 16.11. und damit innerhalb der 1-Wochen-Frist. Weil keine Fristüberschreitung vorliegt, besteht keine Zahlungspflicht der Pflegekasse nach § 18 Abs. 3b SGB XI.
(3) Die Pflegekasse ist verpflichtet, für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung eine Zusatzzahlung zu leisten. Die Verpflichtung zur Leistung der Zusatzzahlung beginnt am Tag nach Ablauf der Fristen nach § 18 Abs. 3 SGB XI. Wenn das Ende der Wochenfrist (der Zeitraum nach Ablauf der 1- oder 2- Wochen-Frist oder 25-Arbeitstage-Frist) auf einen Feiertag fällt, führt es nicht zu einer Fristverlängerung auf den nächsten Werktag.
Beispiel 3
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse | am 22.08. |
Fristbeginn | am 23.08. |
Fristende | am 26.09. |
Fristbeginn 1. Woche der Fristüberschreitung | am 27.09. |
Fristende 1. Woche der Fristüberschreitung | am 03.10. |
Fristbeginn 2. Woche der Fristüberschreitung | am 04.10. |
Fristende 2. Woche der Fristüberschreitung | am 10.10. |
Bescheiddatum | am 08.10. |
Ergebnis:
Die Pflegekasse hat den Bescheid nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen erteilt, so dass eine Fristüberschreitung eingetreten ist. Die 1. Woche der Fristüberschreitung endet am 03.10. Zwar handelt es sich beim 03.10.2018 um einen Feiertag, unabhängig davon beginnt die 2. Woche der Fristüberschreitung am 04.10.2018 und endet am 10.10. Die Erteilung des Bescheides erfolgte am 08.10. und damit innerhalb der 2. Woche der Fristüberschreitung. Die Pflegekasse ist zu einer Zahlung von insgesamt 140,00 EUR für zwei Wochen nach Fristüberschreitung verpflichtet.
(4) Die Zahlungspflicht entfällt, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten festgestellt (mindestens Pflegegrad 2) wurden. Das Vorliegen eines Verzögerungsgrundes, den die Pflegekasse nicht zu vertreten hat, reicht für das Entfallen der Zahlungspflicht aus. Erhält der MD einen Hinweis, dass der Antragsteller begutachtet werden kann, soll eine zeitnahe Terminierung erfolgen.
Eine Vielzahl von Verzögerungsgründen ist möglich. Damit die Zahlungspflicht entfällt, muss der Verzögerungsgrund nicht von der Pflegekasse zu vertreten sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Pflegekasse die fehlende Mitwirkungspflicht des Versicherten nach § 60 SGB I festgestellt hat. Nach § 60 SGB I ist der Versicherte verpflichtet
- 1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen der Pflegekasse der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
- 2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
- 3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen der Pflegekasse Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Soweit für die Erhebung der in Punkt 1 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
Zu den notwendigen Angaben für die Leistungsentscheidung gehört u. a. die Mitteilung, welche Leistung beantragt wird. Die Einwilligung des Versicherten zur Auskunftserteilung nach § 18 Abs. 4 SGB XI ist erforderlich, wenn die behandelnden Ärzte, insbesondere die Hausärzte, einbezogen und ärztliche Auskünfte und Unterlagen über die für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit wichtigen Vorerkrankungen sowie Art, Umfang und Dauer der Hilfebedürftigkeit eingeholt werden sollen. Dabei ist der Versicherte auf den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung oder Nutzung sowie auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen (§ 67b Abs. 2 Satz 1 SGB X). Die Einwilligung und der Hinweis bedürfen gem. § 67b Abs. 2 Satz 3 SGB X der Schriftform.
Des Weiteren können Verzögerungsgründe im Rahmen der Pflegebegutachtung auftreten, die die Pflegekasse nicht zu vertreten hat. Dabei können z. B. folgende Verzögerungsgründe auftreten:
der Antragsteller befindet sich zum angekündigten bzw. vereinbarten Termin im Krankenhaus oder einer vollstationären Rehabilitations-Einrichtung.
der Antragsteller befindet sich von Fristbeginn bis auf unbestimmte Zeit im Krankenhaus oder einer vollstationären Rehabilitations-Einrichtung. Daher ist eine Vereinbarung eines Begutachtungstermins im häuslichen Bereich nicht möglich.
der Antragsteller muss den angekündigten bzw. vereinbarten Termin wegen eines wichtigen Behandlungstermins absagen.
der angekündigte bzw. vereinbarte Termin wurde von dem Antragsteller aus sonstigen Gründen abgesagt.
der Antragsteller ist zum angekündigten bzw. vereinbarten Termin verzogen.
der Antragsteller wurde zum angekündigten bzw. vereinbarten Termin nicht angetroffen.
der Wohnsitz des Antragstellers ist nicht im Inland.
der Hausbesuch musste abgebrochen werden wegen Verständigungsschwierigkeiten (z. B. Muttersprache).
der Antragsteller ist verstorben.
der Hausbesuch musste wegen Gewaltandrohung oder ähnlich schwerwiegender Gründe abgebrochen werden.