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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Kündigungsschutz - Arbeitnehmer
Kündigungsschutz - Arbeitnehmer
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.Rechtsprechungs-ABC
- 4.1
- 4.2
- 4.3
- 4.4
- 4.5
- 4.6
- 4.7
- 4.8
- 4.9
- 4.10
- 4.11
- 4.12
- 4.13
- 4.14
- 4.15
- 4.16
- 4.17
- 4.18
- 4.19
- 4.20
- 4.21
- 4.22
- 4.23
- 4.24
Information
1. Allgemeines
Der allgemeine Kündigungsschutz greift nicht für jeden Berufstätigen. Die §§ 1 ff. KSchG gelten nur für Arbeitnehmer. Das sind abhängig Beschäftigte, die eng in die Organisation ihres Arbeitgebers eingebunden sind. Sie unterliegen seinem Direktionsrecht. Mit ihm kann er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung seiner Leute bestimmen.
Praxistipp:
Leitende Angestellte sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vom Geltungsbereich des BetrVG ausgenommen. Das veranlasst viele Arbeitgeber zur Annahme, ihre "Leitenden" hätten auch keinen Kündigungsschutz. Das ist ein Irrtum. Auch leitende Angestellte haben KSchG-Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber hat es nur etwas leichter, sich wieder von ihnen zu trennen: Er kann bei leitenden Angestellten, soweit sie "zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind", den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit der Maßgabe stellen, dass dieser Antrag "keiner Begründung bedarf" (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG).
Keinen KSchG-Kündigungsschutz haben Selbstständige. Auch arbeitnehmerähnliche Personen, freie Mitarbeiter oder GmbH-Geschäftsführer sind vom KSchG ausgenommen. Sie können sich nur vertraglich gegen Kündigungen schützen - zum Beispiel damit, die Anwendung des KSchG in ihrem Arbeitsvertrag zu vereinbaren, wozu Arbeitgeber allerdings nicht verpflichtet sind.
2. Arbeitnehmer i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG
§ 1 Abs. 1 KSchG verlangt, dass die "Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer" nach Zurücklegen der Wartezeit sozial gerechtfertigt sein muss. Das KSchG enthält keine eigene Definition des Begriffs Arbeitnehmer. In der Regel verwendet man die allgemein übliche Definition "Arbeitnehmer sind Angestellte und Arbeiter". Das heißt, Arbeitnehmer i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG sind nach Ablauf der 6-monatigen Wartezeit auch
Aushilfskräfte
befristet Beschäftigte
Betriebsleiter (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG)
"Daueraushilfen"
Geschäftsführer ohne Organstellung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG)
Jobsharer
Leiharbeitnehmer
leitende Angestellte (s. dazu § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG)
Minijobber (450-Euro-Kräfte)
Nebenjobber
Teilzeitmitarbeiter
Werkstudenten
Arbeitnehmer ist, "wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist" (BAG, 27.09.2012 - 2 AZR 838/11).
Anhaltspunkte für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (= Beschäftigung) sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und
eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (s. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und die Stichwörter Arbeitnehmer und Scheinselbstständigkeit - Beschäftigung).
Ein Arbeitnehmer unterliegt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, der nach § 106 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen kann. Selbstständig ist dagegen, "wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann" (s. dazu § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB).
3. Keine Arbeitnehmer i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG
Der KSchG-Kündigungsschutz gilt nicht für
arbeitnehmerähnliche Personen (s. dazu BAG, 20.01.2004 - 9 AZR 291/02)
Auszubildende (s. dazu auch das Stichwort Auszubildende - Kündigung)
Dienstnehmer, die keine Arbeitnehmer sind
ehrenamtlich Tätige (s. dazu BAG, 29.08.2012 - 10 AZR 499/11 - und das Stichwort Ehrenamt)
Familienhelfer in einem freien Dienstverhältnis (LAG Baden-Württemberg, 20.02.2002 - 11 Sa 2/02)
Frachtführer (s. dazu BAG, 27.06.2001 - 5 AZR 561/99)
Franchisenehmer (wenn sie selbstständig sind)
Freie Mitarbeiter (s. dazu BAG, 15.02.2012 - 10 AZR 301/10 - und das Stichwort Freie Mitarbeiter)
Gesellschafter mit Leitungsmacht (LAG Rheinland-Pfalz, 11.01.2010 - 5 Sa 642/09)
GmbH-Geschäftsführer (s. dazu BAG 15.03.2011 - 10 AZB 32/10)
Handelsvertreter, die ihre Tätigkeit und ihre Arbeitszeit im Wesentlichen frei bestimmen können (s. dazu LAG München, 14.07.2005 - 4 Sa 114/05 - mit Hinweis auf § 84 Abs. 1 HGB)
(stellvertretender) Hauptgeschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft als Organvertreter (s. dazu LAG Hamm, 13.06.2007 - 2 Ta 80/07)
Heimarbeiter (s. dazu das Stichwort Heimarbeit - Arbeitsrecht)
Ordensangehörige
Schwestern des Roten Kreuzes (s. dazu LAG Düsseldorf, 29.10.2012 - 9 Sa 1168/12)
Selbstständige
Vereinsmitglieder
Die Bestimmungen des ersten KSchG-Abschnitts (= §§ 1 bis 13 KSchG) gelten nach § 14 Abs. 1 KSchG bereits von Gesetzes wegen nicht für
"1. in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen
"2. in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen."
Praxistipp:
Wer als Nicht-Arbeitnehmer gegen ordentliche Kündigungen geschützt sein will, muss mit seinem Auftrag- oder Dienstgeber die Anwendung des KSchG vereinbaren oder einen eigenen Kündigungsschutz regeln. Der kann unter anderem darin bestehen, dass man das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließt und eine Kündigung nur dann zulässt, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Der Auftrag- oder Dienstgeber kann rechtlich jedoch nicht zu dieser Art Kündigungsschutz gezwungen werden.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Arbeitnehmereigenschaft trägt zunächst der Arbeitnehmer. Bestreitet der Arbeitgeber den Status Arbeitnehmer, muss er Tatsachen darlegen und unter Beweis stellen, die seine abweichende Behauptung rechtfertigen.
4. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Kündigungsschutz und Arbeitnehmer in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
4.1 Arbeitnehmerbegriff
Der Begriff Arbeitnehmer wird nicht nur im KSchG verwendet, sondern auch im BetrVG. § 5 Abs. 1 BetrVG enthält allerdings - wie das KSchG - keine ausführliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs. Das BetrVG setzt ihn voraus und stellt auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff ab ("den es in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Abs. 2 und Abs. 3 erweitert sowie einschränkt"). Arbeitnehmer ist, "wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist" (s. dazu BAG, 05.12.2012 - 7 ABR 48/11). Allein der Umstand, dass zwischen einem Arbeitnehmer und dem Betriebsinhaber ein Arbeitsverhältnis besteht, rechtfertigt aber nicht immer die Feststellung, es handele sich um einen BetrVG-Arbeitnehmer des Betriebs. Es muss immer die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem bestimmten Betrieb hinzukommen - was in der Regel die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers voraussetzt (BAG, 04.11.2015 - 7 ABR 42/13 - mit Hinweis auf BAG, 05.12.2012 - 7 ABR 48/11: "Zwei-Komponenten-Lehre"; s. dazu auch BAG, 21.05.2019 - 9 AZR 295/18).
4.2 Arbeitnehmereigenschaft - 1
Der Arbeitgeber hat gegenüber Arbeitnehmern ein Weisungsrecht, mit dem er Art, Dauer, Ort und Zeit seiner Tätigkeit bestimmen kann. Wer seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, ist Arbeitnehmer. Sein Grad von persönlicher Abhängigkeit hängt selbstverständlich auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. "Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an" (BAG, 15.02.2012 - 10 AZR 301/10 - mit dem Hinweis, dass sich der jeweilige Vertragstyp aus dem wirklichen Geschäftsinhalt ergibt und die Parteien zwingende gesetzlichen Regelungen nicht dadurch abbedingen können, dass sie dem Rechtsverhältnis eine andere Bezeichnung geben; s. dazu auch BAG, 21.05.2019 - 9 AZR 295/18).
4.3 Arbeitnehmereigenschaft - 2
Auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Kündigungsrechtsstreit übereinstimmend davon ausgehen, dass das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, bindet diese gemeinsame Auffassung der Parteien das Arbeitsgericht nicht. Materiell-rechtlich ist nur der Arbeitnehmer, der auf der Grundlage eines Vertrags "im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist". Der Inhalt des Weisungsrechts ergibt sich aus § 106 GewO. "Arbeitnehmer ist nach § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann" (BAG 31.07.2014 - 2 AZR 422/13 - mit dem Hinweis, dass eine "Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des betreffenden Falles" vorzunehmen ist; s. dazu auch BAG, 21.05.2019 - 9 AZR 295/18).
4.4 Arbeitnehmereigenschaft - 3
Der Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal bei der Abgrenzung Beschäftigung/Selbstständigkeit. "Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist." Wer seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei bestimmen kann (s. dazu § 84 HGB), ist als Arbeitnehmer Mitarbeiter. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit wird u.a. von der Eigenart der Tätigkeit bestimmt. Insoweit ist immer eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. "Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben" (BAG, 17.06.2020 – 7 AZR 398/18 – mit Hinweis auf § 611a BGB, der in der seit dem 01.04.2017 geltenden Fassung die BAG-Grundsätze widerspiegelt).
4.5 Befristet Beschäftigte
"1. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 ... über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass Arbeitnehmer mit einem für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossenen Vertrag zu den Arbeitnehmern gehören, die im Sinne dieser Bestimmung 'in der Regel' in dem betreffenden Betrieb beschäftigt sind. 2. Im Hinblick auf die Feststellung, ob eine 'Massenentlassung' im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 vorliegt und diese damit anwendbar ist, ist die in Unterabs. 2 dieser Bestimmung enthaltene Voraussetzung, dass 'die Zahl der Entlassungen mindestens 5 beträgt', dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf Beendigungen des Arbeitsvertrags bezieht, die einer Entlassung gleichgestellt werden, sondern nur auf Entlassungen im eigentlichen Sinne. 3. Die Richtlinie 98/59 ist dahin auszulegen, dass es unter den Begriff 'Entlassung' im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie fällt, wenn ein Arbeitgeber einseitig und zulasten des Arbeitnehmers aus nicht in dessen Person liegenden Gründen eine erhebliche Änderung der wesentlichen Bestandteile des Arbeitsvertrags vornimmt" (EuGH, 11.11.2015 - C-422/14 - Leitsätze - Spanien).
4.6 Betriebsarzt (freiberuflicher)
§ 627 Abs. 1 BGB ermöglicht die außerordentliche Kündigung eines Dienstverhältnisses, das kein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 622 BGB ist, auch ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt - vorausgesetzt, der zur Dienstleistung Verpflichtete leistet Dienste höherer Art, die auf Grund eines besonderen Vertrauens übertragen werden, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen. Auch wenn ein Betriebsarzt die ärztlichen Behandlungen nur im Verhältnis zu den Angehörigen des Betriebs leistet und nicht im Verhältnis zu seinem Vertragspartner, dem Arbeitgeber, und seine Tätigkeit im Spannungsverhältnis zur Vorstellungswelt des Arbeitgebers über Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit steht: diese Besonderheiten rechtfertigen es nicht, das Rechtsverhältnis zwischen Betriebsarzt und Auftraggeber anders zu bewerten. Der Betriebsarzt leistet Dienste höherer Art i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB - sein Dienstverhältnis kann nach Maßgabe des § 627 Abs. 1 BGB fristlos gekündigt werden (BGH, 13.11.2014 - III ZR 101/14).
4.7 Darlegungs- und Beweislast
Ist streitig, ob der gekündigte Arbeitnehmer oder zumindest arbeitnehmerähnliche Person ist, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die Annahme dieser Eigenschaft(en). Den gekündigten und klagenden Angestellten trifft im Rahmen der Rechtswegprüfung die Pflicht, "alle Tatsachen, die die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte begründen sollen, schlüssig darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen." Verlangt der Kläger die Feststellung, er sei zumindest als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen, muss er zur Schilderung seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit als Existenzgrundlage seine gesamten wirtschaftlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse konkret darlegen (LAG Rheinland-Pfalz, 28.11.2011 - 11 Ta 237/11).
4.8 EU-Arbeitnehmerbegriff
Der Arbeitnehmerbegriff i. S. der Richtlinie 2008/104 ist so auszulegen, dass dabei immer berücksichtigt wird, "dass dieser Begriff nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie für eine Person steht, 'die in dem betreffenden Mitgliedstaat nach dem nationalen Arbeitsrecht als Arbeitnehmer geschützt ist.'" Unter den Arbeitnehmerbegriff i.S.d. Richtlinie fällt daher jede Person, "die eine Arbeitsleistung erbringt und die in dieser Eigenschaft in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist." Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses besteht nach ständiger EuGH-Rechtsprechung darin, "dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält, wobei die rechtliche Einordnung dieses Verhältnisses nach nationalem Recht und seine Ausgestaltung ebenso wie die Art der zwischen beiden Personen bestehenden Rechtsbeziehung insoweit nicht ausschlaggebend sind" (EuGH, 17.11.2016 - C-216/15 - Deutschland - mit Hinweis auf EuGH, 11.11.2010 - C 232/09 - und dort zitierte Rechtsprechung).
4.9 Geschäftsführer
"Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 ... über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die bei der Berechnung der in dieser Vorschrift genannten Zahl von Arbeitnehmern ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende unberücksichtigt lässt, das seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft besitzt" (EuGH, 09.07.2015 - C-229/14 1. Leitsatz - Deutschland).
4.10 GmbH-Geschäftsführer - 1
"1. Wird ein Arbeitnehmer einer Konzernobergesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH berufen, beantwortet sich die Frage, ob er Arbeitnehmer der Konzernobergesellschaft bleibt, nach den zur GmbH & Co. KG entwickelten Grundsätzen: Es ist das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit zu prüfen, indem der Vertrag nach Regelungsinhalt und tatsächlicher Durchführung auf Beschränkungen zu untersuchen ist, die über das für Fremd-Geschäftsführer übliche Maß hinausgehen, welches anhand des gängigen Katalogs zustimmungsbedürftiger Geschäfte festzustellen ist. Wenn die Tätigkeit und Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestaltet werden können und dann noch die Vergütung über der eines leitenden Angestellten liegt, ist der Vertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren. Dagegen wird eine Arbeitnehmer-Eigenschaft zu bejahen sein, wenn der Geschäftsführer einem Direktionsrecht der Obergesellschaft bezüglich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit unterliegt" (LAG Hamburg, 01.08.2005 - 5 Ta 9/05 Leitsatz 1).
4.11 GmbH-Geschäftsführer - 2
"Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiellrechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als ein Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen" (BAG, 15.03.2011 - 10 AZB 32/10).
4.12 GmbH-Geschäftsführer - 3
Das BAG unterscheidet ein Arbeitsverhältnis von einem freien Dienstverhältnis u.a. nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit, in dem sich der Arbeit/Dienst Leistende zum Arbeit-/Dienstgeber befindet. Dabei ist "Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist" - also dem Weisungsrecht des Arbeit-/Dienstgebers unterliegt. Nun ein kann ein GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich auch als Arbeitnehmer der GmbH angestellt sein, bloß: "Verfügt ein in einer GmbH mitarbeitender Gesellschafter über mehr als 50 % der Stimmrechte, steht er regelmäßig nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft" (BAG, 17.09.2014 - 10 AZB 43/14 Leitsatz).
4.13 GmbH-Geschäftsführer - 4
Die Anstellung eines GmbH-Geschäftsführers kann mit einem BGB-Arbeits- oder BGB-Dienstvertrag erfolgen. Für die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist es jedoch völlig unerheblich, wie die Rechtsgrundlage materiell-rechtlich eingestuft wird (s. dazu BAG, 25.10.2007 - 6 AZR 1045/06 und BAG, 17.01.2002 - 2 AZR 719/00). Wäre es anders, hätte § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Bedeutung. Der Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG gilt bloß für Arbeitnehmer. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG stellt das klar: "Die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bezeichneten Organvertreter sollen ohne Rücksicht darauf, ob angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis angesehen werden muss, allein aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen sein" (BAG, 21.09.2017 - 2 AZR 865/16 - mit Hinweis auf BAG, 17.01.2002 - 2 AZR 719/00).
4.14 GmbH-Geschäftsführer - 5
Die hier vorgestellte BGH-Entscheidung führt nicht zur Zuständigkeit des Arbeitsgerichts und zur Anwendbarkeit des KSchG, enthält aber eine für die AGG-widrige Benachteiligung eines GmbH-Geschäftsführers im Zusammenhang mit einer Kündigung wichtige Aussage. Eigentlich erstreckt sich der persönliche Anwendungsbereich des AGG gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG ja nur auf Arbeitnehmer. Aber: "Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist" (BGH, 26.03.2019 - II ZR 244/17 - Leitsatz).
4.15 Konsularische Tätigkeiten
Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich nach § 20 Abs. 1 GVG nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten. Und § 20 Abs. 2 GVG ergänzt: "Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind." Das heißt für konsularische Tätigkeiten: "Ein ausländischer Staat unterliegt in Bezug auf eine Kündigungsschutzklage nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn dem Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt auch konsularische Tätigkeiten oblegen haben. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, wie häufig oder in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer solche Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt hat" (BAG, 14.12.2017 - 2 AZR 216/17 - Leitsatz).
4.16 Leiharbeitnehmer
"Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ist dahin auszulegen, dass die durch einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, gegen ein Gestellungsentgelt erfolgende Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein entleihendes Unternehmen, damit das Mitglied bei diesem hauptberuflich und unter dessen Leitung gegen eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dies gilt auch, wenn das Mitglied nach nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag geschlossen hat" (EuGH, 17.11.2016 - C-216/15 - Leitsatz - Deutschland).
4.17 Musikschullehrer
Die vom BAG entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung Arbeitsverhältnis/freies Dienstverhältnis sind auch bei Unterrichtstätigkeiten anzuwenden. Hier kommt es darauf an, "wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann." An einer allgemeinbildenden Schule Unterrichtende sind - auch wenn sie die Tätigkeit bloß nebenberuflich ausüben - regelmäßig Arbeitnehmer. "Dagegen können etwa Volkshochschuldozenten und Musikschullehrer, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, oder Lehrkräfte, die nur Zusatzunterricht erteilen, als freie Mitarbeiter beschäftigt werden" (BAG, 21.11.2017 - 9 AZR 117/17 - mit Hinweis auf BAG, 17.10.2017 - 9 AZR 792/16; BAG, 27.06.2017 - 9 AZR 851/16; BAG, 20.01.2010 - 5 AZR 106/09 - und dem Ergebnis, dass der Musikschullehrer in diesem Fall freier Mitarbeiter war).
4.18 Persönliche Abhängigkeit
Die Intensität des Weisungsrechts und das Maß der persönlichen Abhängigkeit des Mitarbeiters kann nicht für alle Beschäftigten abstrakt beantwortet werden - beide hängen von der Eigenart der zu beurteilenden Tätigkeit ab. "Ein Pianist, der auf der Grundlage eines Engagementvertrages gegen Honorar in einer Hotelhalle auf dem dort stehenden Klavier zu vertraglich festgelegten Stunden die ebenfalls vertraglich vereinbarte Tanz- und Unterhaltungsmusik spielt, verrichtet sein Klavierspiel trotz jahrelanger Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation nicht in persönlicher Abhängigkeit" (LAG München, 07.08.2007 - 6 Sa 162/07 - Leitsatz - mit der weiteren Erläuterung, dass der klagende Musiker selbst entscheiden konnte, welche Titel er spielte, ob er das leise oder laut, schnell oder langsam machte).
4.19 Praktikanten
"Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 [EG des Rates vom 20. Juli 1998 ... über Massenentlassungen] ist dahin auszulegen, dass eine Person wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die im Rahmen eines Praktikums ohne Vergütung durch ihren Arbeitgeber, jedoch finanziell gefördert und anerkannt durch die für Arbeitsförderung zuständigen öffentlichen Stellen, in einem Unternehmen praktisch mitarbeitet, um Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren, als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist" (EuGH, 09.07.2015 - C-229/14 - 2. Leitsatz - Deutschland).
4.20 Rundfunkmitarbeiter
Auch programmgestaltende Mitarbeiter (z.B. Kommentatoren, Künstler, Moderatoren, Regisseure, Wissenschaftler, die sonst eher als freie Mitarbeiter gelten) können Arbeitnehmer sein, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen und sie bei ihrer beruflichen Arbeit nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit haben und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Sind sie dagegen weitgehend weisungsfrei und dürfen sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen und anderen Sachfragen einbringen, wird man davon ausgehen können, dass sie keine Arbeitnehmer i.S.d. Arbeitsrechts sind (BAG, 14.03.2007 - 5 AZR 499/06).
4.21 Vereinsmitglieder
Eine weisungsgebundene Tätigkeit muss nicht zwingend in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden. Als Rechtsgrundlage für die Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit kann auch die Mitgliedschaft in einem Verein in Frage kommen. Der Mitgliedsbeitrag kann nach § 58 Nr. 2 BGB nämlich auch in der Leistung von Diensten bestehen. Entscheidend ist der Grundsatz der Vereinsautonomie - mit der Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder durch Satzung festgelegt werden können. Allerdings darf die Ableistung von Diensten auf Basis einer Vereinsmitgliedschaft nicht dazu führen, dass dadurch zwingendes Arbeitsrecht umgangen und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbraucht werden (LAG Düsseldorf, 29.10.2012 - 9 Sa 1168/12 - mit dem Ergebnis, dass Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes keine Arbeitnehmer sind).
4.22 Vorübergehende Zuweisung
"1. Die reine 'Zwei-Komponenten-Lehre', nach der zu den 'konstitutiven Merkmalen der Betriebszugehörigkeit einerseits ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber, andererseits die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in dessen Betriebsorganisation' gehört, führt beim drittbezogenen Personaleinsatz und einer 'aufgespaltenen Arbeitgeberstellung' nicht zu sachgerechten Ergebnissen. In diesen Fällen sind vielmehr differenzierende Lösungen geboten, die zum einen die ausdrücklich normierten spezialgesetzlichen Konzepte, zum anderen aber auch die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen berücksichtigen.
2. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 PostPersRG gelten die Beamten, denen nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 PostPersRG eine Tätigkeit bei einem Unternehmen zugewiesen ist, u.a. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer des Unternehmens. Sie gehören damit nicht zu den Arbeitnehmern, aus denen gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Betriebsversammlung des Betriebs Vivento besteht. Die betriebsverfassungsrechtliche Funktion der Betriebsversammlung gebietet keine andere Beurteilung" (BAG, 05.12.2012 - 7 ABR 48/11).
4.23 Weisungsabhängigkeit
Arbeitnehmer sind in zeitlicher Hinsicht weisungsgebunden, wenn ihre "ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich 'zugewiesen' werden." Dabei kann sich eine ständige Dienstbereitschaft sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Abmachungen als auch aus der praktischen Durchführung der vertraglichen Beziehungen ergeben. So spricht bei einem Lehrer beispielsweise die Einteilung dieses Mitarbeiters in Stundenpläne ohne vorherige Absprache als starkes Indiz für seine Arbeitnehmereigenschaft. Er ist damit "im Kern seiner Arbeitstätigkeit durch die zeitliche und organisatorische Planung seines Arbeitgebers an dessen Weisungen gebunden" (BAG, 15.02.2012 - 10 AZR 301/10).
4.24 Zirkusartisten
Der vereinfachte Fall: Eine Artistengruppe hatte mit einem Zirkusunternehmen vereinbart, im Rahmen einer Zirkusvorstellung eine Hochseil- und Todesradnummer aufzuführen. Die Parteien schlossen einen Vertrag über freie Mitarbeit. Ein Artist verletzte sich während der Premiere. In der Folgezeit erfuhren die anderen Gruppenmitglieder, dass sie vom Zirkusunternehmer gar nicht bei der Krankenkasse angemeldet waren. Nach ihrer Weigerung, weiter aufzutreten, kündigte das Unternehmen ihnen fristlos. Bei der Bewertung eines Engagements als Arbeits- oder freies Dienstverhältnis entscheidet u.a. der Grad der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers. Dazu sind alle Umstände in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Hier waren die Mitglieder der Artistengruppe nicht als Arbeitnehmer beschäftigt, sondern als freie Dienstnehmer. Es fehlte das für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses charakteristische Weisungsrecht, sodass die Artisten hier keine Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 ArbGG waren (BAG, 11.08.2015 9 AZR 98/14).