Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Telearbeit - Vertragsrecht
Telearbeit - Vertragsrecht
Information
Telearbeit bzw. mobile Arbeit im Homeoffice kann grundsätzlich in verschiedenen vertraglichen Gestaltungen erbracht werden. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist zwischen Arbeitsvertrag, Heimarbeitsvertrag und freier Mitarbeit bzw. Tätigkeit als freier Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags oder eines Dienstvertrags zu unterscheiden. Der Status der freien Mitarbeiter kann unter bestimmten Voraussetzungen dem Arbeitnehmerstatus angenähert sein.
Bei der Vertragsgestaltung sind verschiedene Faktoren zu beachten. Die relativ hohen Lohnnebenkosten und die geringere Flexibilität sprechen aus der Sicht der Unternehmen gegen den Abschluss eines Arbeitsvertrages. Andererseits ist zu bedenken, dass der Arbeitnehmerstatus zu einer stärkeren Bindung an das Unternehmen führt. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Identifikation mit den Unternehmenszielen von Bedeutung. Telearbeiter haben häufig Zugriff auf vertrauliche und sensible Daten.
Durch die arbeitsrechtliche Treuepflicht kann ein effektiverer Schutz vor Datenmissbrauch gegeben sein als im Rahmen von Werkverträgen bzw. (freien) Dienstverträgen. Selbstständige können insbesondere an der Annahme von Aufträgen anderer Arbeitgeber kaum gehindert werden. Zudem wird auch die Akzeptanz der Belegschaft bei der Einführung von Telearbeit höher sein, wenn der Arbeitnehmerstatus gewahrt bleibt.
Ein Arbeitsvertrag kann auch dann ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren kalendermäßig befristet werden, wenn zwischen den Parteien zuvor ein Heimarbeitsverhältnis bestanden hat. Eine sachgrundlose Befristung ist zwar gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Heimarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 HAG ist jedoch kein Arbeitsverhältnis i.S.v. § 14 Abs. 2 TzBfG (BAG, 24.08.2016 - 7 AZR 342/14).
Ein Arbeitgeber, der mit seinem Arbeitnehmer eine Vereinbarung trifft, wonach der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung für eine bestimmte Dauer im Homeoffice ausüben kann, macht sich schadensersatzpflichtig, wenn dem Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeit im Homeoffice nicht gewährt wird. Der Schaden tritt an den jeweiligen Tagen ein, an dem der Arbeitnehmer anstatt Telearbeit von zuhause zu leisten, die Büroräume des Arbeitgebers aufsuchen muss. Ersatzfähig sind die Kosten für die Fahrten vom Heimarbeitsplatz zum Büro. Für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs für die Fahrten zur Dienststelle nach § 287 BGB kann die Kilometerpauschale nach § 5 BRKG in Höhe von 0,30 EUR zugrunde gelegt werden (LAG Rheinland-Pfalz, 07.11.2018 - 7 Sa 46/18).
Auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice bestehe, so das Arbeitsgericht Berlin, könne die mögliche Arbeit von zu Hause aus - bei vorhandenen technischen Voraussetzungen - einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes entgegenstehen. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Home-Office aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zu Hause aus möglich sind (ArbG Berlin, 10.08.2020 - 19 Ca 13189/19).
Gegen diese Entscheidung wurde von der in der Berliner Niederlassung als Vertriebsassistentin beschäftigte Arbeitnehmerin Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg eingelegt. Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit seinem Urteil v. 24.03.2021 - 4 Sa 1243/20 - die Klage abgewiesen.
Maßstab für die Überprüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist - so das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil v. 24.03.2021 - ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die den Arbeitnehmer am wenigsten beeinträchtigen und die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
Die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers lag hier darin, die Vertriebstätigkeiten in ihrer Zentrale in Wuppertal zusammenzufassen und die Niederlassungen, so auch die in Berlin, infolge dessen zu schließen.
Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist – so das LAG Berlin-Brandenburg - ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis zu den bisherigen Bedingungen für einzelne Arbeitnehmer tatsächlich entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen.
Das Angebot eines Homeoffice Arbeitsplatzes kann zumindest dann keine mildere Maßnahme im Rahmen einer Änderungskündigung sein, wenn es Teil der unternehmerischen Entscheidung ist, bestimmte Arbeitsplätze in der Zentrale des Arbeitgebers zu konzentrieren und für diese Arbeitsplätze kein Homeoffice Arbeitsplatz anzubieten(LAG Berlin-Brandenburg v. 24.03.2021 - 4 Sa 1243/20).
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Diese Entscheidung betrifft eine Änderungskündigung vom 10.10.2019 und eine Fallgestaltung vor dem erstmaligen Ausbruch der Coronavirus Pandemie im Frühjahr 2020.
Nach anderen Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber als milderes Mittel vor Ausspruch einer betriebsbedingten oder krankheitsbedingten Kündigung eine Homeoffice-Tätigkeit anbieten muss (vgl. nur LAG Hamm v. 22.7.2009 - 3 Sa 1630/08; Hessisches LAG v. 10.6.2015 - 6 Sa 451/14).
Unter Geltung des am 23.4.2021 in Kraft getretenen § 28b VII IfSG könnte - jedenfalls begrenzt auf desssen Geltung während der Pandemie - eine Entscheidung anders ausfallen. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.
Die Telearbeit bzw. die Arbeit im Homeoffice kann durch verschiedene Maßnahmen beendet werden,
so. z.B. durch
einvernehmliche Aufhebung des gesamten Arbeitsvertrags;
einvernehmliche Änderung einzelner Inhalte des Arbeitsvertrags;
Ablauf einer vereinbarten Befristung der Dauer der Telearbeit/des Homeoffice;
Kündigung der Telearbeit bzw. Homeofice-Vereinbarung seitens des Arbeitnehmers, wenn er die Einrichtung (Arbeitsmitel und Mobiliar) im Wesentlichen zur Verfügung gestellt hat und den Raum wieder selbst benötigt;
einseitige - nach billigem Ermessen ausgeübte - Beendigung der Telearbeit bzw. der Homeofice-Vereinbarung seitens des Arbeitgebers, wenn er kraft seines Direktionsrechts den Ort der Arbeitsleistung bestimmen darf;
Ausübung seines vertraglich vereinbarten Widerrufsrechts durch den Arbeitgeber;
Kündigung einer selbständigen Zusatzvereinbarung über Telearbeit bzw. Homeoffice;
betriebsbedingte Änderungskündigung durch den Arbeitgeber wenn ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt, welches die Telearbeit bzw. die Arbeit im Homeoffice entfallen läßt.
Die Beendigung einer Vereinbarung von Telearbeit/Homeoffice-Arbeit und damit verbunden die Weiterarbeit an einem Arbeitsplatz im Betrieb stellt regelmäßig eine Versetzung gem. § 95 Abs. 3 BetrVG dar bei der der Betriebsrat in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern gem. § 99 BetrVG mitzubestimmen hat in Form von Unterrichtungs-, Auskunfts-, Einsichts- und Zustimmungsverweigerungsrechten.
Vgl. dazu näher unter Telearbeit - Betriebsverfassung.
Sollte der Arbeitgeber eine Arbeit im Homeoffice im Ausland zulassen, dann sollte eine schriftliche Vereinbarung über die üblichen Regelungen wie z.B. zum Datenschutz hinaus, insbesondere Vereinbarungen enthalten, wie z.B.
die steuerlichen Fragen, wie z.B. der Lohnsteuerabzug, die Lohnsteuerpflicht im Ausland oder steuerlich zu beachtende Meldepflichten im Ausland;
der zeitlichen Umfang der Tätigkeit im Homeoffice;
die Einhaltung von Arbeitszeit- und Arbeitschutzvorschriften;
die Verteilung der Arbeit im Homeoffice und im Betrieb;
der Anspruch Kostenerstattung und/oder auf eine Vergütung oder deren Ausschluss bzgl. der Wegezeiten zwischen dem inländischen Betrieb und dem Homeoffice im Ausland;
die Frage unter welchen Umständen (z.B. Schlechtleistung oder mangelnde Erreichbarkeit) der Arbeitgeber berechtigt ist, die Arbeit im Homeoffice im Ausland einseitig zu beenden.