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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Kündigung - betriebsbedingt: Betriebsstilllegung
Kündigung - betriebsbedingt: Betriebsstilllegung
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.Rechtsprechungs-ABC
- 5.1
- 5.2
- 5.3
- 5.4
- 5.5
- 5.6
- 5.7
- 5.8
- 5.9
- 5.10
- 5.11
- 5.12
- 5.13
- 5.14
- 5.15
- 5.16
- 5.17
- 5.18
- 5.19
- 5.20
- 5.21
- 5.22
- 5.23
- 5.24
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber kann auf inner- und außerbetriebliche Entwicklungen (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Ursachen) auch mit einer Betriebsschließung reagieren (s. dazu das Stichwort Kündigung - betriebsbedingt: Arbeitgeberreaktion). Die Stilllegung eines Betriebs ist der ultimative Grund für eine betriebsbedingte Kündigung. Das endgültige Aus führt nämlich dazu, dass es überhaupt keinen Beschäftigungsbedarf und keine Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitnehmer mehr gibt.
Praxistipp:
Betriebsstilllegung und Fortführung des Betriebs – sei es infolge unternehmerischer "Umentscheidung" des Arbeitgebers oder durch einen Betriebsübergang – schließen sich gegenseitig aus. Wer einen Betrieb oder Betriebsteil schließen will, muss den ernsthaften und endgültigen Entschluss fassen, diesen Betrieb(steil) endgültig und nicht bloß vorrübergehend einzustellen. Die Endgültigkeit dieses Entschlusses wird nicht in Frage gestellt, wenn gekündigte Mitarbeiter noch zum Abarbeiten noch nicht erledigter Aufträge eingesetzt werden.
Welcher Grund, möchte man fragen, könnte geeigneter für eine betriebsbedingte Kündigung sein als die totale Betriebsstilllegung. In der Regel ist sie ein dringendes betriebliches Erfordernis, das eine Kündigung sozial rechtfertigt (s. dazu Gliederungspunkt 2.). In vielen Fällen steht bei einer Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse allerdings nicht die Stilllegung eines Betriebs im Vordergrund, sondern ganz andere Maßnahmen: Fortführung und Veräußerung (dazu mehr in Gliederungspunkt 4.). Während der Arbeitgeber seinen Stilllegungsentschluss noch mitbestimmungsfrei trifft, hat der Betriebsrat bei der praktischen Umsetzung dieses Entschlusses eine Fülle von Mitbestimmungsrechten (dazu mehr in Gliederungspunkt 4.). Einzelfragen werden im Rechtsprechungs-ABC beantwortet (s. Gliederungspunkt 5.).
2. Betriebsstilllegung als Kündigungsgrund
Eine Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft. Sie findet ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt,
die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder
für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum
nicht weiter zu verfolgen (BAG, 27.09.2007 - 8 AZR 941/06). Die Betriebs- oder Betriebsteilstilllegung ist ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, das einen Grund für eine sozial gerechtfertigte Kündigung liefern kann (BAG, 14.03.2013 - 8 AZR 154/12; bestätigt durch BAG, 27.02.2020 - 8 AZR 215/19).
Trifft der Arbeitgeber wegen irgendwelcher inner- oder außerbetrieblichen Ursachen die unternehmerische Entscheidung, seinen Betrieb zu schließen, gibt es nach der praktischen Umsetzung dieser Entscheidung keine Möglichkeit mehr, Arbeitnehmer zu beschäftigen. Die Betriebsstilllegung ist das absolute betriebliche Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im Betrieb des Arbeitgebers entgegensteht.
Beispiel:
Arbeitgeber A beschäftigt 20 Arbeitnehmer. Die Umsätze sind seit Jahren rückläufig und A ist in einem Alter, in dem man sich als Unternehmer langsam aus der aktiven Tätigkeit zurückzieht. A hat in seiner Familie keinen Nachfolger und Gespräche mit potenziellen Übernahmeinteressenten sind ohne Ergebnis geblieben. A entscheidet sich, seinen Betrieb zu schließen. Am 30.06. soll Schluss sein. A kündigt allen Mitarbeitern zu diesem Termin - das war's.
Eine betriebsbedingte Kündigung wegen einer völligen Betriebsstilllegung durchzubekommen, dürfte keine Schwierigkeit sein. Probleme gibt es, wenn nur ein Betriebsteil oder ein Teilbetrieb stillgelegt wird.
Beispiel:
Arbeitgeber A hat mehrere Filialen. Die Filiale in X-Stadt läuft nicht mehr so richtig und A trifft die unternehmerische Entscheidung, diese Filiale zu schließen. Nur dann, wenn diese Filiale ein Betrieb im Sinn des Kündigungsschutzgesetzes ist, wäre ihre Schließung ein ultimativer betriebsbedingter Kündigungsgrund. Ist sie nur ein Betriebsteil oder ein Teilbetrieb des Filialbetriebs A, rechtfertigt ihre Schließung nicht unbedingt die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Mitarbeiter. Dann muss A in anderen Betriebsteilen oder Teilbetrieben nach Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten suchen und auch die Arbeitnehmer, die die dort beschäftigt sind, mit in eine Sozialauswahl einbeziehen.
Eine Kündigung wegen einer Betriebsschließung ist auch dann nicht ohne Weiteres möglich, wenn es nach der - angeblichen - Betriebsschließung erkennbar weitergeht oder weitergehen soll. Dazu im nachfolgenden Gliederungspunkt mehr.
3. Betriebsstilllegung mit Folgen
Nach einer Betriebsstilllegung ist in der Regel Schluss. Dann kommt nichts mehr. Es gibt aber Fälle, in denen es dann doch irgendwie weitergehen soll oder weitergeht.
Beispiele:
- 1
Arbeitgeber A1 führt ein großes Warenhaus. Das Gebäude stammt aus den 50er Jahren und wurde zuletzt Mitte der 70er renoviert. Um für die Kundschaft wieder attraktiv zu werden, entschließt A1 sich zu einem Umbau und für eine komplett neue Ladeneinrichtung. Außerdem möchte er das Sortiment runderneuern. Nach einigen Monaten des Umbaus und der Umstrukturierung will A1 mit einer breit angelegten Neueröffnungskampagne wieder auf den Markt zurück.
- 2
Arbeitgeber A2 führt einen Handwerksbetrieb. Er ist in die Jahre gekommen und möchte, dass sein Sohn den Betrieb weiterführt. Bevor es soweit ist, müssen noch etliche Maschinen erneuert und umgebaut werden. A2 beabsichtigt, den Betrieb für eine etwa dreimonatige Umbauphase zu schließen. Danach soll sein Sohn weitermachen.
- 3
Arbeitgeber A3 beabsichtigt, in den Ruhestand zu gehen. Er wünscht sich einen Nachfolger. Der ist nach langer Suche zwar gefunden, er will aber nicht gleich durchstarten. Er möchte einiges neu machen und bittet A3, seinen Betrieb erst mal zu schließen. Nach wenigen Wochen wird er dann einen Neustart wagen.
Allen vorausgehenden Beispielen ist gemein, dass es keine echten Betriebsschließungen sind. Es geht - wenn auch nach einer gewissen Unterbrechung - irgendwie weiter. Solche "Betriebsstilllegungen" sind in der Regel keine betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Sie können eine betriebsbedingte Kündigung nicht sozial rechtfertigen. Bei einer Betriebsstilllegung muss der Arbeitgeber endgültig entschlossen sein, den Betrieb aufzugeben (LAG Köln, 13.10.2004 - 7 (5) Sa 273/04). Zwar kommt auch eine beabsichtigte Stilllegung in Betracht - sie muss sich aber im Kündigungszeitpunkt konkret und greifbar abzeichnen (a.a.O.). Dabei muss die der entsprechenden Prognose zu Grunde liegende Entscheidung bereits im Zeitpunkt der Kündigung endgültig getroffen worden sein und
die Schließung des Betriebs oder der Betriebsabteilung
aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt
bereits feststehen und greifbare Formen angenommen
haben (BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 75/06). Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, dass zum Zeitpunkt der Kündigung mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grunds vorliegen wird. Dabei muss die der entsprechenden Prognose zu Grunde liegende Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Eine Kündigung wegen Betriebsschließung ist sozial nicht gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen, aber noch nicht endgültig gefasst hat oder in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung steht (BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 75/06).
Auch ein Betriebsübergang auf einen anderen Inhaber rechtfertigt keine betriebsbedingte Kündigung, wenn der Betriebsübergang der tragende Beweggrund für die Kündigung ist (s. dazu § 613a Abs. 4 BGB und die Stichwörter Betriebsübergang - Kündigungsverbot, Kündigung - betriebsbedingt: Betriebsübergang, Kündigung - betriebsbedingt: Erwerberkonzept und Kündigung - betriebsbedingt: Kündigungsverbot).
4. Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte
Auch wenn die betriebsbedingte Kündigung wegen einer Betriebsstilllegung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist: Der Betriebsrat muss doch vor der Kündigung angehört werden (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) und eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Damit aber noch nicht genug. Bevor es zu einer Betriebsstilllegung kommt, hat der Betriebsrat ein weiteres Wort mitzureden. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern
über geplante Betriebsänderungen,
die wesentliche Nachteile für die Belegschaft
oder erhebliche Teile der Belegschaft
zur Folge haben können,
rechtzeitig und umfassend zu unterrichten
und die geplante Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu beraten (§ 111 Satz 1 BetrVG und die Stichwörter Betriebsänderung, Kündigung - betriebsbedingt: Mitbestimmung). Als Betriebsänderung in diesem Sinn gilt nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG die "Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen".
Weitere interessante Bestimmungen zu diesem Thema:
§ 112 BetrVG, Interessenausgleich über die Betriebsänderung und Sozialplan
§ 112a BetrVG, Erzwingbarer Sozialplan bei Personalabbau, Neugründungen
§ 113 BetrVG, Nachteilsausgleich
Auch wenn ein Betrieb komplett geschlossen wird und es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr gibt, bleibt der besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern und anderen betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträgern nach § 15 KSchG erhalten. Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in § 15 Abs. 1 bis 3 KSchG genannten Betriebsverfassungsorgane frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig - es sei denn, ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt ist durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt (§ 15 Abs. 4 KSchG).
Beispiel:
Arbeitgeber A beabsichtigt, seinen Betrieb zum 31.03. stillzulegen. Die Beschäftigungsverhältnisse einiger Mitarbeiter kann er wegen kurzer Kündigungsfristen bereits vorher beenden. A arbeitet ganz allmählich auf die Schließung hin. Betriebsrat B kann nun im Regelfall keine vorzeitige Kündigung bekommen, sondern A muss ihn bis zum 31.03. weiter beschäftigen. Ist B ein Spezialist, der nur für ganz bestimmte Aufgaben in Betracht kommt, und fallen diese Aufgaben vorzeitig weg und gibt es auch sonst keine Möglichkeit für A, den B weiter zu beschäftigen, wäre an ein vorzeitiges Ende zu denken. Hier lägen dann zwingende Gründe vor, weil es für B überhaupt keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt.
Die Kündigung nach § 15 Abs. 4 BetrVG ist eine ordentliche Kündigung. Der Betriebsrat ist hier nach § 102 BetrVG zu hören. Er braucht der Kündigung - da kein Fall der außerordentlichen Kündigung nach § 103 BetrVG vorliegt - nicht zuzustimmen. Wird eine von § 15 Abs. 1 bis 3 KSchG geschützte Person in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen (§ 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG). Ist das aus betrieblichen Gründen nicht möglich, findet auf ihre Kündigung § 15 Abs. 4 KSchG entsprechende Anwendung (§ 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG). Geht ein Betrieb durch Stilllegung unter, bleibt sein Betriebsrat so lange im Amt, wie es zur Wahrnehmung der damit in Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist (§ 21b BetrVG - Restmandat).
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema betriebsbedingte Kündigung und Betriebsstilllegung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
5.1 Aufgabenfortführung
Eine vom Arbeitgeber mit Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn sich die beabsichtigte Maßnahme im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt. Die bloße Fortführung von vereinigungsbedingten Aufgaben der Vermögenszuordnung der früheren Treuhandanstalt ist kein Betriebsübergang im Sinn des § 613a BGB (BAG, 24.08.2006 - 8 AZR 317/05).
5.2 Auftragsbeendigung
Das bloße Auslaufen eines alten Auftrags - hier: Rettungsdienst - kann allein keine Kündigung wegen dringender betrieblicher Gründe im Sinn des § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen. Eine andere Beurteilung kommt möglicherweise in Frage, wenn sich der Arbeitgeber überhaupt nicht um einen neuen Auftrag bemüht hat. Dann könnte man eventuell eine unternehmerische Entscheidung annehmen, die auf eine Betriebs- oder Teilbetriebsstilllegung zielt und zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt (BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 75/06).
5.3 Ausschlusswirkung
Betriebsstilllegung und Betriebsveräußerung schließen sich gegenseitig systematisch aus. Bei der Beurteilung des richtigen Kündigungssachverhalts kommt es nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung, sondern auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrunds an. So ist die vom Arbeitgeber mit einer Betriebsstilllegung begründete Kündigung nur dann nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, "wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa für die Fortführung des Betriebs wesentliche Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten und der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung verwendet" (BAG, 27.09.2007 - 8 AZR 941/06).
5.4 Beabsichtigte Stilllegung - 1
Erklärt der Arbeitgeber die Kündigung nicht wegen einer bereits erfolgter Betriebsstilllegung, sondern weil er die Stilllegung beabsichtigt, gilt: Er muss "im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst" haben, "den Betrieb bzw. Betriebsteil endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen" (s. dazu BAG, 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 – u. BAG, 20.06.2013 - 6 AZR 805/11). Zudem "muss die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen haben" (so: BAG, 15.1.2016 - 2 AZR 867/15 – u. BAG, 14.03.2013 - 8 AZR 153/12). Greifbare Formen liegen vor, "wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben" (BAG, 27.02.2020 – 8 AZR 215/19 – mit Hinweis auf BAG, 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 u. BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 543/06).
5.5 Beabsichtigte Stilllegung - 2
Die Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er gekündigte Mitarbeiter zum Abarbeiten noch vorhandener Aufträge einsetzt. Damit erfüllt er nur seine – auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende – Beschäftigungspflicht (s. dazu BAG, 21.05.2015 – 8 AZR 409/13; BAG, 20.06.2013 – 6 AZR 805/11 u. BAG, 08.11.2007 – 2 AZR 554/05). Aber: "An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es allerdings, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in ernsthaften Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs steht oder sich noch um neue Aufträge bemüht" (so: BAG, 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 u. BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 543/06), "wenn dem Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung ein Konzept für die Übernahme des Betriebs(teils) vorliegt und er dieses nicht mit einer Absage wegen endgültiger Stilllegung beantwortet, sondern - womöglich auch erst nach Ausspruch der Kündigung - konkrete Verhandlungen aufnimmt, die zum Erfolg führen (…), oder wenn eine Weiterveräußerung von Geschäftsanteilen und damit ein Gesellschafterwechsel in Betracht kommt, der mit der Aussicht auf Betriebsfortführung verbunden ist" (BAG, 27.02.2020 – 8 AZR 215/19 – mit Hinweis auf BAG, 10.10.1996 - 2 AZR 477/95).
5.6 Beginn der Durchführung
Der Arbeitgeber fängt mit der Durchführung einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG an, "wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft." Die Stilllegung eines Betriebs – ebenfalls eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG – bedeutet: Der Arbeitgeber gibt den Betriebszweck auf und löst damit gleichzeitig die "Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit" auf. Die Umsetzung der Betriebsänderung erfolgt in diesem Fall, "sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift (s. dazu BAG, 30.05.2006 - 1 AZR 25/05)." Das kann beispielsweise angenommen werden, wenn der Arbeitgeber "die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt“ (BAG, 14.04.2015 – 1 AZR 794/13 – mit Hinweis auf BAG, 23.09.2003 - 1 AZR 576/02)."
5.7 Begriff
Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft, "die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen". Die endgültige Stilllegungsabsicht zeigt sich unter anderem darin, dass der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich kundgibt, allen Mitarbeitern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 273/08; bestätigt durch BAG, 14.05.2020 - 6 AZR 235/19; Begriff bestätigt durch BAG, 27.02.2020 - 8 AZR 215/19).
5.8 Beschäftigungswegfall
Legt der Arbeitgeber den gesamten Betrieb still, führt das zum Wegfall aller Beschäftigungsmöglichkeiten. Daher kann von einer Stilllegungsabsicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seine darauf zielende Absicht eindeutig äußert, allen Mitarbeitern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. Die betreffenden betrieblichen Umstände müssen greifbare Formen angenommen haben, das heißt insbesondere muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon ausgegangen werden, dass der die Entlassung(en) erforderlich machende betriebliche Grund zum Zeitpunkt des Kündigungstermins mit einiger Sicherheit gegeben ist (BAG, 14.08.2007 - 8 AZR 1044/06).
5.9 Betriebskrankenkasse
Eine Betriebskrankenkasse wird nach § 153 Satz 1 Nr. 3 SGB Vvon der Aufsichtsbehörde u.a. dann geschlossen, wenn "ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr auf Dauer gesichert ist." Für die von der Schließung betroffenen Mitarbeiter gelten nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V die Abs. 2 bis 4 des § 164 SGB V - mit der Einschränkung, "dass § 164 Abs. 3 Satz 3 nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann." § 164 Abs. 3 SGB V verpflichtet:" Bei der Auflösung der Betriebskrankenkasse ist denjenigen Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann, nach § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V) beim Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer anderen Betriebskrankenkasse eine ihrer bisherigen Dienststellung vergleichbare, zumutbare Beschäftigung anzubieten.
"Die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden, enden mit dem Tag der Auflösung oder Schließung" (§ 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern, denen eine andere Stelle anzubieten ist, enden nicht mit dem Tag der Schließung. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V muss so verstanden werden, dass die gesetzliche Anordnung der Beendigung von Arbeitsverhältnissen voraussetzt, dass den Mitarbeitern zuvor eine zumutbare Stellung i.S.d. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V angeboten wurde. Aber auch die Arbeitsverhältnisse, die durch eine ordentliche Kündigung hätten beendet werden können, enden nicht mit dem Tag der Schließung. Denn: "Eine an Wortlaut, Entstehungsgeschichte und gesetzgeberischem Zweck orientierte Auslegung der einschlägigen Vorschriften ergibt, dass die gesetzliche Anordnung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V - da den betreffenden Arbeitnehmern eine zumutbare Stellung bei einer anderen Betriebskrankenkasse zuvor nicht angeboten worden sein muss - für solche Arbeitsverhältnisse nicht gilt. Sie unterliegen allein den Regelungen des Kündigungsschutzrechts" (BAG, 21.11.2013 - 2 AZR 474/12 - Pressemitteilung).
5.10 Coronabedingte Betriebsstilllegung
"Ein Interessenausgleich – sowie der dazu gehöhrende Sozialplan – bei einer Fluggesellschaft, der aus dem Jahre 2015 stammt, erfasst als konkrete Änderung des Flugbetriebes jedenfalls nicht die coronabedingte Stilllegung des gesamten Flugbetriebs, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs gerade einmal die Neuausrichtung des Flugbetriebes hin zum Wet-Lease-Operator unter möglicher Schließung einzelner Stationen zu nicht näher definierten Zeitpunkten geplant war. Der Sozialplan aus dem Jahre 2015 kann daher nicht die sozialen Nachteile der Arbeitnehmer mildern, die mit der nunmehr geplanten Stilllegung des gesamten Flugbetriebes verbunden sind" (LAG Köln, 12.06.2020 – 7 TaBV 69/19 - Leitsatz).
5.11 Motiv
Wenn kein Betriebsübergang vorliegt und auch keine Betriebsfortführung stattfindet, ist eine daraufhin erfolgende Kündigung des Insolvenzverwalters wegen einer Betriebsstilllegung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt (BAG, 26.04.2007 - 8 AZR 695/05).
5.12 Nachteilsausgleich
Der vereinfachte Fall: Arbeitgeber A kündigte Mitarbeiter M anlässlich einer Betriebsstilllegung, bevor er mit seinem Betriebsrat über einen Interessenausgleich in einer Einigungsstelle verhandeln konnte. M erstritt wegen dieses BetrVG-widrigen Verhaltens vor dem Arbeitsgericht einen Nachteilsausgleich - § 113 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG - in Höhe von 16.307,20 EUR. Zuvor hatte A mit seinem Betriebsrat einen Sozialplan verhandelt, der für M eine Abfindung von 9.000,00 EUR vorsah - die A aber nicht zahlte. Zu Recht. Der Zweck beider BetrVG-Leistungen ist deckungsgleich. Abfindungen, die aufgrund eines Sozialplans und eines gesetzlichen Nachteilsausgleichs geschuldet sind, sind verrechenbar(BAG, 12.02.2019 - 1 AZR 279/17).
5.13 Rentenschädliche Beendigung
Damit Arbeitsverhältnisse nicht vorzeitig auf Kosten der Rentenversicherung beendet werden, sieht § 51 Abs. 3a Nr. 3 lit. a) SGB VI vor, dass Zeiten des ALG-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht auf die 45-jährige Wartezeit für die Inanspruchnahme einer Rente für besonders langjährig Versicherte angerechnet werden – es sei denn, "der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt". Aber: "1. Der Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn beruht nicht auf einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers, wenn zwar der einzige Standort des ursprünglichen Beschäftigungsunternehmens aufgegeben, dieses jedoch zuvor auf ein anderes Unternehmen mit weiteren Standorten verschmolzen wird. 2. Der Bezug von Arbeitslosengeld kann auch dann durch die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sein, wenn der Versicherte aus diesem Anlass in eine Transfergesellschaft wechselt und das 'Transferarbeitsverhältnis' durch Fristablauf endet" (BSG, 20.05.2020 – B 13 R 23/18 R – Leitsätze).
5.14 Restmandat - 1
Das Restmandat des Betriebsrats entsteht mit dem Wegfall der betrieblichen Organisation, das heißt mit der endgültigen Stilllegung des Betriebs oder mit seiner endgültigen Zusammenlegung mit einem anderen Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt wandelt sich das originäre Vollmandat des Betriebsrats in das Restmandat nach § 21b BetrVG um. Danach ist das Restmandat von dem Betriebsrat auszuüben, der im Zeitpunkt des Wegfalls der betrieblichen Organisation und der damit verbundenen Beendigung des Vollmandats im Amt war (BAG, 06.12.2006 - 7 ABR 62/05).
5.15 Restmandat - 2
"Der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs ist nicht im Rahmen seines Restmandats nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nach der vollständigen Stilllegung des Betriebs eine Tätigkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens zuweist" (BAG, 22.06.2010 - 1 ABR 38/09 - mit Hinweis auf BAG, 08.12.2009 - 1 ABR 41/09).
5.16 Stillegung/Veräußerung
Systematisch betrachtet schließen sich eine Stilllegung und eine Veräußerung des Betriebs aus - entweder oder (BAG, 16.02.2012 - 8 AZR 693/10). Für die rechtliche Beurteilung des Kündigungsgrunds kommt es nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung, sondern "auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes" an. So ist eine vom Arbeitgeber wegen Betriebsschließung betriebsbedingt begründete Kündigung nur dann i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, "wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet" (BAG, 14.03.2013 - 8 AZR 155/12 - mit Hinweis auf BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 273/08).
5.17 Stilllegungsabsicht
Erfolgt die Kündigung eines Arbeitnehmers durch den Insolvenzverwalter "wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung", spricht es gegen eine tatsächliche und endgültige Stilllegungsabsicht, wenn dem Insolvenzverwalter vor der Kündigungserklärung das Übernahmeangebot eines Interessenten vorliegt und dieses Angebot wenige Tage später zu konkreten Verhandlungen mit einer teilweisen Betriebsübernahme führt (BAG, 29.09.2005 - 8 AZR 647/04).
5.18 Stilllegungsentschluss - 1
Bei einer beabsichtigten Betriebsveräußerung liegt kein Stilllegungsentschluss vor, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleiben und bloß ein Betriebsinhaberwechsel stattfinden soll. "Für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung fehlt es am endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung steht. Ist bei Zugang der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, hat sich jedoch der Arbeitgeber eine Betriebsveräußerung vorbehalten, die dann später doch noch gelingt, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung" (BAG, 26.04.2007 - 8 AZR 695/05).
5.19 Stilllegungsentschluss - 2
Das betriebliche Erfordernis für eine gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung muss dringend sein und der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Arbeitgeberbetrieb entgegenstehen (s. dazu BAG, 27.06.2019 - 2 AZR 38/19). Davon ist auszugehen, "wenn die Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung, etwa der zur Stilllegung des gesamten Betriebs, spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt" (s. dazu BAG, 16.05.2019 - 6 AZR 329/18). Dazu wird vorausgesetzt, "dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb stillzulegen" (s. dazu BAG, 16.02.2012 - 8 AZR 693/10). Dass der Arbeitgeber vorhat, die gekündigten Arbeitnehmer im Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist noch mit dem Abarbeiten vorhandener Aufträge zu beschäftigen, schließt seine Stilllegungsabsicht nicht aus. Mit der Weiterbeschäftigung erfüllt er ja nur deren auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehenden Beschäftigungsanspruch und seine Beschäftigungspflicht (BAG, 14.05.2020 - 6 AZR 235/19 - mit Hinweis auf BAG, 08.11.2007 - 2 AZR 554/05).
5.20 Unumkehrbare Maßnahmen
"Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung erfolgt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt" (BAG, 18.07.2017 - 1 AZR 546/15 - mit Hinweis auf BAG, 14.04.2015 - 1 AZR 794/13).
5.21 Veräußerung vs. Stilllegung
Die Veräußerung eines Betriebs(teils) und eine Stilllegung dieses Betriebs(teils) schließen sich systematisch aus (s. dazu BAG, 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 u. BAG, 16.02.2012 - 8 AZR 693/10). "Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebs(teil)veräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Betriebsmittel usw. einem Dritten überlassen werden, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet" (so: BAG, 21.05.2015 - 8 AZR 409/13 u. BAG, 28.05.2009 - 8 AZR 273/08). Auf der anderen Seite: Ist "im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebs(teil)stilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebs(teil)veräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später doch noch eine Betriebs(teil)veräußerung, bleibt es nach dem Kündigungsschutzgesetz bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (…), es kommt jedoch ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht" (BAG, 27.02.2020 – 8 AZR 215/19 – mit Hinweis auf BAG, 29.09.2005 – 8 AZR 647/04 u. BAG, 29.09.2005 - 8 AZR 647/04).
5.22 Vorläufige Eigenverwaltung
"1. Durch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung wird das Verfahren nicht nach § 240 ZPO unterbrochen. 2. Bei vorläufiger Eigenverwaltung ist der Schuldner berechtigt, die Stilllegung des Unternehmens zu beschließen. Diesen Beschluss kann sich der später bestellte Insolvenzverwalterzu eigen machen, ohne selbst die Stilllegung zu beschließen. 3. Im Anzeigeverfahren hat der Arbeitgeber den Stand der Beratungen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ausgehend von dem tatsächlichen Ablauf des Konsultationsverfahrens darzulegen. Dazu gehört auch die Angabe, ob, wann und warum der Betriebsrat weitere Verhandlungen endgültig abgelehnt hat. Außerdem ist anzugeben, dass, wann und wie das Verfahren aus Sicht des Arbeitgebers beendet worden ist" (BAG, 14.05.2020 – 6 AZR 674/19 – Leitsatz).
5.23 Zeitpunkt - 1
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, seine betriebsbedingten Kündigungen erst dann auszusprechen, wenn er die Stilllegung durchgeführt hat. "Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung muss die auf Tatsachen gestützte betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt sein, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes vorliegen wird [es folgt ein Hinweis auf BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 543/06]. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen [es folgt ein Hinweis auf BAG, 16.02.2012 - 8 AZR 693/10].
"Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht [es folgt ein Hinweis auf BAG, 08.11.2007 - 2 AZR 554/05]. An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in ernsthaften Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs steht oder sich noch um neue Aufträge bemüht" (BAG, 14.03.2013 - 8 AZR 154/12 - mit Hinweis auf BAG, 13.02.2008 - 2 AZR 543/06).
5.24 Zeitpunkt - 2
Die Durchführung einer Betriebsänderung beginnt, wenn der Unternehmer "unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft." Eine Betriebsstilllegung beginnt als "Betriebsänderung" i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, wenn der Unternehmer den Zweck seines Betriebs aufgibt und gleichzeitig seine Betriebsorganisation "für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit" auflöst. Die Umsetzung der Betriebsstilllegung erfolgt, "sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift ... [es folgt ein Hinweis auf BAG 30.05.2006 - 1 AZR 25/05]". Eine Maßnahme zur Auflösung der betrieblichen Organisation ist z.B. darin zu sehen, dass der Unternehmer "die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt" (BAG, 14.04.2015 - 1 AZR 223/14 - mit Hinweis auf BAG, 23.09.2003 - 1 AZR 576/02).
Siehe auch