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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Zuschläge - Neuerungen AGG
Zuschläge - Neuerungen AGG
Inhaltsübersicht
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Information
1. Einleitung
Mit der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist der deutsche Gesetzgeber seiner Verpflichtung nachgekommen, insgesamt vier europäische Richtlinien in nationales Recht umzusetzen.
Ziel des Gesetzes ist die Schaffung eines umfassenden Diskriminierungsschutzes. Die Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis sind vielfältig. Schwerpunkte in der arbeitsrechtlichen Diskussion liegen bislang insbesondere in der Darstellung der Art und des Umfangs des in § 15 AGG verankerten Schadensersatzanspruchs, der Auswirkungen des Gesetzes auf Bewerbungsverfahren und den Kündigungsschutz, und der Frage, welche Schulungsmaßnahmen des Arbeitgebers geeignet sind, etwaige Benachteiligungen zukünftig zu vermeiden.
Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes erstreckt sich gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG aber auch auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes und der Entlassungsbedingungen in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen.
Gem. § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam. Benachteiligungen in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen können zudem gem. § 15 AGG Schadensersatzansprüche begründen.
Diese weitreichenden Folgen werden durch das Fehlen einer Übergangsregelung in § 33 AGG noch verschärft.
Auch im Bereich der Zuschläge/Zulagen ist der Arbeitgeber daher mit der Frage konfrontiert, bei welchen arbeitsvertraglichen Klauseln eine Benachteiligung i.S.d. AGG gegeben sein könnte und wie diese vermieden werden kann.
2. Verschiedene Zulage-Formen im Spiegel der Literatur
Das einschlägige Schrifttum hat das AGG seit dessen Inkrafttreten unter den verschiedensten Gesichtspunkten beleuchtet.
Die Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die Arbeitsvertragsgestaltung mit besonderer Berücksichtigung von Zuschlägen/Zulagen haben dabei wie folgt seinen Niederschlag gefunden (vgl. dazu: BB 2007, S. 2006 ff.).
2.1 Ausbildungszulage
Für den Fall, dass eine vertraglich vereinbarte betriebliche Ausbildungszulage nur Arbeitnehmer berücksichtigt, deren Kinder im Inland ausgebildet werden, ist eine Benachteiligung von im Betrieb arbeitenden Ausländern, deren Kinder nicht in Deutschland leben, und damit eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft denkbar. Eine solche Regelung dürfte weder unter § 3 Abs. 2 Satz 2 AGG fallen, noch eine berufliche Anforderung nach § 8 AGG darstellen. Sie wäre daher nicht zulässig.
2.2 Erschwerniszulage
Schließlich kann auch die Gewährung einer Erschwerniszulage eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer darstellen, wenn sie diese Tätigkeiten nicht mehr ausführen können. Solange die Zulage aber der Kompensation besonderer Belastungen dient und sich in einem angemessenen Rahmen hält, liegt ein legitimes Ziel vor und die Regelung dürfte zulässig sein.
2.3 Leistungszulagen
Die Vereinbarung einer Leistungszulage für bestimmte körperlich anspruchsvolle Arbeiten führt regelmäßig zu einer mittelbaren Schlechterstellung Behinderter, die diese Tätigkeiten nicht ausführen und daher die Zulage nicht beanspruchen können. Dient die Zulage dem Ausgleich der besonderen Beanspruchung, liegen aber bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AGG nicht vor, weil insofern ein sachlicher Grund für die Zuwendung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AGG gegeben ist.
Die Regelung wäre damit schon keine Benachteiligung i.S.d. AGG. Das Gleiche würde wohl auch dann gelten, wenn die Leistungszulage aufgrund eines entsprechenden vertraglichen Vorbehalts widerrufen werden kann, wenn der sachliche Grund für die Zulage entfällt.
Ist dagegen die Höhe der Leistungszulage unabhängig von den tatsächlichen Belastungen, dürfte eine unzulässige Benachteiligung vorliegen. Um weitergehende Ansprüche auszuschließen, sollte daher bei der Vertragsgestaltung darauf geachtet werden, die Sonderleistung möglichst genau an die tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.
2.4 Vergünstigungen
Arbeitgeber sollten zukünftig auch nach Regelungen in ihren Arbeitsverträgen suchen, die heterosexuelle Paare begünstigen. Darunter können beispielsweise Vergünstigungen wie Familienzuschläge für Verheiratete und Urlaubstage bei Eheschließung oder Tod des Ehegatten oder nichtehelichen Lebenspartnern fallen.
Eine Benachteiligung homosexueller Lebensgemeinschaften dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn die Klauseln nicht nur für eheliche, sondern auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften Heterosexueller gelten. Eine Rechtfertigung nach § 8 AGG ist nicht ersichtlich.
Soweit die Vorteilsgewährung allerdings nur an den Ehestand anknüpft und auch nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften ausschließt, kommt zwar eine Benachteiligung der eingetragenen Lebenspartnerschaft Homosexueller in Betracht, die durch die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist.
3. Praxistipp
Praxistipp:
Zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen und wirtschaftlich nachteiligen Vertragsanpassungen sind Arbeitgeber gehalten, beim Abschluss neuer Verträge die Vorgaben des AGG zu beachten. Insbesondere auch im Bereich der Zuschläge/Zulagen besteht insofern akuter Handlungsbedarf.
Verstoßen arbeitsvertragliche Regelungen in laufenden Arbeitsverhältnissen gegen das AGG, sind sie gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
Die entstehende Regelungslücke ist durch dispositives Gesetzesrecht und ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn ein wirksames, nicht benachteiligendes Bezugssystem existiert, das bei Ausdehnung auf die bisher nicht erfassten Beschäftigten nicht zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen führt, kommt eine "Anpassung nach oben" in Betracht. Insoweit ist jedoch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten.
Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern bei Vorliegen diskriminierender arbeitsvertraglicher Regelungen eine Vertragsänderung angeboten, die ein angemessenes benachteiligungsfreies Regelungssystem enthält, wäre eine Berufung des Arbeitnehmers auf die ursprüngliche Regelung und die Rechtsfolgen des AGG wohl rechtsmissbräuchlich.
Siehe auch
Zuschläge - Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten
Zuschläge - Mitbestimmung des Betriebsrats