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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Heimarbeit - Entgeltregelung
Heimarbeit - Entgeltregelung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Der Auftraggeber von Heimarbeit hat ein vitales Interesse daran, möglichst günstig arbeiten zu lassen. Die in Heimarbeit Beschäftigten sehen sich dagegen oft dem Phänomen ausgesetzt, sich unter Wert verkaufen zu müssen. Das ist natürlich (vom Gesetzgeber) nicht gewünscht - und so sieht das HAG bestimmte Formen des Entgeltschutzes vor. Wo es keine Tarifverträge (s. dazu Gliederungspunkt 2.) gibt, darf der Heimarbeitsausschuss bindende Festsetzungen erlassen (s. dazu Gliederungspunkt 3.). Diese bindenden Festsetzungen haben dann die Wirkung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags und sehen verbindliche Entgelte - und andere Arbeitsbedingungen - für die in Heimarbeit Beschäftigten vor. Für fremde Hilfskräfte gibt es weitere Sonderregeln (s. dazu Gliederungspunkt 4.) Soweit zwingende Vorgaben nicht entgegenstehen, kann die Arbeitsvergütung der in Heimarbeit Beschäftigten frei vereinbart werden.
Praxistipp:
Auch bei Heimarbeitern kann es vorkommen, dass ihr Lohn aus der Heimarbeit von Gläubigern gepfändet wird. Über § 27 HAG - Pfändungsschutz - gelten dabei für die in Heimarbeit Beschäftigten die gleichen Pfändungsbeschränkungen nach den §§ 850 ff. ZPO wie für Arbeitnehmer, die in einem "echten" Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen.
Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer i.S.d. Arbeitsrechts, sondern "nur" arbeitnehmerähnliche Personen. Für sie gilt der gesetzliche Mindestlohn nach dem MiLoGnicht. Das HAG sieht für Auftraggeber und Zwischenmeister etc. besondere Bestimmungen zum Schutz des Entgelts vor. Heimarbeiter sind damit - trotz Unanwendbarkeit des MiLoG - nicht schutzlos. Ein Verzicht auf Rechte aus einer bindenden Festsetzung ist nur in einem von der Obersten Arbeitsbehörde des Landes - oder der von ihr bestimmten Stelle - gebilligten Vergleich zulässig (§ 19 Abs. 3 Satz 3 HAG). Eine Verwirkung dieser Rechte ist nach § 19 Abs. 3 Satz 4 HAG ausgeschlossen. Interessante Entscheidungen zum Thema Entgeltregelung in der Heimarbeit werden im Rechtsprechungs-ABC vorgestellt (s. dazu Gliederungspunkt 5.).
2. Tarifverträge, Entgeltregelungen
Ein Tarifvertrag regelt nach § 1 Abs. 1 TVG die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die
den Inhalt,
den Abschluss
und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen
sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen
ordnen können. Tarifvertragsparteien sind nach § 2 Abs. 1 TVG:
einzelne Arbeitgeber und
Vereinigungen von Arbeitgebern.
Im Bereich der Heimarbeit gelten als Tarifverträge auch schriftliche Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften einerseits und Auftraggebern oder deren Vereinigungen andererseits über Inhalt, Abschluss oder Beendigung von Vertragsverhältnissen der in Heimarbeit Beschäftigten oder Gleichgestellten mit ihren Auftraggebern (§ 17 Abs. 1 HAG).
Entgeltregelungen i.S.d. HAG sind
Tarifverträge (§ 1 Abs. 1 TVG, § 17 Abs. 1 HAG),
bindende Festsetzungen von Entgelten und sonstigen Vertragsbedingungen (§ 19 HAG)
und von Mindestarbeitsbedingungen für fremde Hilfskräfte (§ 22 HAG).
Ohne die Regelung in § 17 Abs. 1 HAG würden die in Heimarbeit Beschäftigten nicht in den Anwendungsbereich des TVG fallen. Die Rechtsverhältnisse zwischen Auftraggeber und den in Heimarbeit Beschäftigten sind keine Arbeitsverhältnisse.
Wichtig: Der gesetzliche Mindestlohn nach dem MiLoG gilt nicht für Heimarbeiter. Sie sind keine "Arbeitnehmer" i.S.d. MiLoG, sondern "nur" arbeitnehmerähnliche Personen.
3. Bindende Festsetzungen
Bestehen für den Zuständigkeitsbereich eines Heimarbeitsausschusses keine Gewerkschaften oder Vereinigungen von Auftraggebern oder umfassen sie nur eine Minderheit der Auftraggeber oder Beschäftigten, kann der Heimarbeitsausschuss (s. dazu auch § 18 HAG) nach Anhörung der Auftraggeber und Beschäftigten, für die eine Regelung getroffen werden soll,
Entgelte
und sonstige Vertragsbedingungen
mit bindender Wirkung für alle Auftraggeber und Beschäftigten festsetzen, wenn
unzulängliche Entgelte gezahlt werden
oder die sonstigen Vertragsbedingungen unzulänglich sind (§ 19 Abs. 1 Satz 1 HAG).
Die bindende Festsetzung bedarf der Zustimmung der zuständigen Arbeitsbehörde und der Veröffentlichung im Wortlaut an der von der Arbeitsbehörde bestimmten Stelle (§ 19 Abs. 2 Satz 1 HAG).
Die bindende Festsetzung hat die Wirkung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags (s. dazu § 5 TVG und das Stichwort Tarifvertrag - Allgemeinverbindlicherklärung) und ist in das beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales geführte Tarifregister einzutragen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 HAG). Von den Vorschriften einer bindenden Festsetzung kann nur zu Gunsten des Beschäftigten abgewichen werden (§ 19 Abs. 3 Satz 2 HAG).
Ein Verzicht auf Rechte, die aufgrund einer bindenden Festsetzung eines Beschäftigten entstanden sind, ist nur in einem von der obersten Arbeitsbehörde des Landes oder der von ihr bestimmten Stelle gebilligten Vergleichs zulässig (§ 19 Abs. 3 Satz 3 HAG - s. dazu auch das Stichwort Tarifvertrag - Verzicht auf Rechte). Die Verwirkung solcher Rechte ist ausgeschlossen (§ 19 Abs. 3 Satz 4 HAG - s. dazu auch das Stichwort Tarifvertrag - Verwirkung von Rechten). Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung können nur durch bindende Festsetzung vorgesehen werden, das Gleiche gilt für die Abkürzung von Verjährungsfristen (§ 19 Abs. 3 Satz 5 HAG - s. dazu auch das Stichwort Tarifvertrag - Ausschluss von Rechten). Im Übrigen gelten für die bindende Festsetzung die gesetzlichen Vorschriften über den Tarifvertrag sinngemäß, soweit sich aus dem Fehlen der Vertragsparteien nicht etwas anderes ergibt (§ 19 Abs. 3 Satz 6 HAG).
Nach Anhörung der Auftraggeber und Beschäftigten kann der Heimarbeitsausschuss bindende Festsetzungen ändern oder aufheben (§ 19 Abs. 4 Satz 1 HAG). Dabei finden die Regelungen in § 19 Abs. 1 bis 3 HAG entsprechende Anwendung (§ 19 Abs. 4 Satz 2 HAG). § 19 Abs. 1 bis 4 HAG gilt entsprechend für die Festsetzung von vermögenswirksamen Leistungen i.S.d. Fünften Vermögensbildungsgesetzes (§ 19 Abs. 5 HAG).
4. Entgeltarten, Entgeltregelungen und Mindestarbeitsbedingungen für fremde Hilfskräfte
In der Heimarbeit gibt es
Stück-
und Zeitentgelte.
In der Regel haben Stückentgelte Vorrang und sind möglichst auf der Grundlage von Stückzeiten zu regeln (§ 20 Satz 1 HAG). Ist das nicht möglich, sind Zeitentgelte festzusetzen, die der Stückentgeltberechnung im Einzelfall zugrunde gelegt werden können (§ 20 Satz 2 HAG).
Für Zwischenmeister, die nach § 1 Abs. 2 lit. d) HAG den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt sind, können im Verhältnis zu ihren Auftraggebern durch Entgeltregelung nach den §§ 17 bis 19 HAGZuschläge - etwa für die persönliche Verteilzeit oder die Erholung - festgelegt werden (§ 21 Abs. 1 HAG).
Zahlt ein Auftraggeber an einen Zwischenmeister
ein Entgelt, von dem er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass es zur Zahlung der in der Entgeltregelung festgelegten Entgelte an den Beschäftigten nicht ausreicht,
oder dessen Unzuverlässigkeit er kennt oder kennen muss,
haftet er für diese Entgelte neben dem Zwischenmeister (§ 21 Abs. 2 HAG). Der Gewerbetreibende soll dem Zwischenmeister nicht zum eigenen Vorteil eine Vergütung zahlen, mit der er die Mindestentgeltzahlung an die Heimarbeiter ausschließt oder gefährdet. § 21 Abs. 2 HAG begründet Sorgfaltspflichten des Auftraggebers gegenüber den Heimarbeitern, obwohl zwischen ihnen kein Vertragsverhältnis besteht. Der wirtschaftliche Vorteil der Heimarbeit fließt neben dem Zwischenmeister auch dem Auftraggeber zu. Er kann seine Mithaftung nach § 21 Abs. 2 HAG nur ausschließen, wenn zum Schutz der Heimarbeiter bei der Beauftragung des Zwischenmeisters eine besondere Sorgfalt beachtet (BAG, 05.11.2002 - 9 AZR 409/01).
Für fremde Hilfskräfte, die von
Hausgewerbetreibenden
oder Gleichgestellten
beschäftigt werden, können ebenfalls Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 HAG). Voraussetzung dafür ist, dass die Entgelte der Hausgewerbetreibenden oder Gleichgestellten durch eine Entgeltregelung (§§ 17 bis 19 HAG) festgelegt sind (§ 22 Abs. 1 Satz 2 HAG).
Für die Festsetzung gilt § 19 HAG entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Heimarbeitsausschüsse Entgeltausschüsse für fremde Hilfskräfte in Heimarbeit treten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 HAG). Für die Auslegung der Mindestarbeitsbedingungen gilt § 8 Abs. 3 HAG entsprechend (§ 22 Abs. 2 Satz 1 HAG).
5. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zum Thema Heimarbeit - Entgeltschutz in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet vorgestellt:
5.1 Haftungsausschluss
Der Auftraggeber kann seine Mithaftung für die Entgelte der Heimarbeiter nach § 21 Abs. 2 HAG nur ausschließen, wenn er bei der Kalkulation der Vergütung des Zwischenmeisters die üblicherweise beim Zwischenmeister anfallenden Kosten berücksichtigt. Dazu gehören sämtliche Kosten der Heimarbeit nach den jeweils bindenden Festsetzungen unter Einbeziehung aller gesetzlichen Abgaben und der übrigen anfallenden Kosten sowie der Ertrag des Zwischenmeisters (BAG, 05.11.2002 - 9 AZR 409/01).
5.2 Mithaftung
Gibt ein Gewerbetreibender, der selbst Heimarbeiter beschäftigt, als Auftraggeber i.S.d. § 21 Abs. 2 HAG einen Teil seiner Aufträge an einen Zwischenmeister weiter, muss er davon ausgehen, dass das von ihm an den Zwischenmeister gezahlte Entgelt unzureichend ist und dies zur Mithaftung für die Ansprüche der vom Zwischenmeister beschäftigten Heimarbeiter führt. Dabei wird weiter vorausgesetzt, dass die reinen Werklohnkosten, die er für die von ihm beschäftigten Heimarbeiter je Fertigungseinheit aufwendet, höher sind als das von ihm an den Zwischenmeister je Fertigungseinheit gezahlte Entgelt (LAG Hamm, 31.01.2001 - 9 Sa 1023/99).
5.3 Zweckmäßigkeit
Stellt der Heimarbeitsausschuss eine bindende Festsetzung auf, ist diese bindende Festsetzung von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf Zweckmäßigkeit oder Billigkeit zu überprüfen, sondern nur auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Verfassungs- und Gesetzesrecht, die guten Sitten und die tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts (BAG, 05.05.1992 - 9 AZR 447/90).