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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Insolvenzgeld - Allgemeines
Insolvenzgeld - Allgemeines
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Im Inland beschäftigten Arbeitnehmern steht bei Insolvenz ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) auf Antrag das sogenannte Insolvenzgeld gem. § 3 Abs. 4 Nr. 5 SGB III zu, sofern für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses ein noch nicht erfüllter Anspruch auf ein Arbeitsentgelt besteht.
Damit soll zum einen der (realistische) Anspruch des vorleistungspflichtigen Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt gesichert und dieser vor dem Risiko des Lohnausfalls bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers geschützt werden.
Zum anderen soll eine erneute Verbesserung der Liquidität bei dem insolventen Unternehmen erreicht werden, um letztlich zu dessen Sanierung beizutragen.
Das Insolvenzgeld umfasst neben dem Arbeitsentgelt auch die Entrichtung der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung (§ 175 SGB III).
Das bei der örtlich zuständigen Arbeitsagentur zu beantragende Insolvenzgeld (§§ 323 ff. SGB III) wird von der Bundesagentur für Arbeit gewährt (§ 320 Abs. 2 SGB III) und von den Arbeitgebern als Risikogemeinschaft finanziert. Die Umlage für das Insolvenzgeld wird zusammen mit dem Gesamtversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle (Krankenkasse) gezahlt.
Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über (gesetzlicher Anspruchsübergang gem. § 169 SGB III). Gem. § 167 SGB III ist dies das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze beschränkte Bruttoarbeitsentgelt. Der Anspruchsübergang ist nicht auf den Nettolohnanspruch oder auf den Betrag des an den Arbeitnehmer zu zahlenden Insolvenzgeldes beschränkt (BAG, 25.06.2014 - 5 AZR 283/12)
Mit Wirkung ab 20.12.2018 hat die Bundesagentur für Arbeit neue "Fachliche Weisungen Insolvenzgeld" erlassen, die von den nachgeordneten Agenturen für Arbeit zu beachten sind.
Sie betreffen folgende Vorschriften und Sachverhalte:
RN 165.7: Wegen des Erfordernisses der Kongruenz von Zustimmungs- und Auszahlungsentscheidung bei Vorfinanzierungen muss die Zustimmung zur Neueinstellung im Rahmen einer (Änderungs-)Entscheidung zur Vorfinanzierung bekannt gegeben werden
RN 165.33: Klarstellung, dass Zeiten des unbezahlten Urlaubs zum Insolvenzgeldzeitraum gehören
RN 165.37: Entfernung der nicht einschlägigen Rechtsvorschrift des § 352 InsO
RN 165.42: Darstellung der Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme in Unkenntnis des Insolvenzereignisses nach der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO
§ 166 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
§ 167 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
§ 168 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
§ 169 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
§ 170 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
§ 171 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
§ 172 SGB III: Neufassung als fachliche Weisung
Keine Änderungen zur Fassung vom 20.12.2017: Verfahren
Neufassung als fachliche Weisung: Geltendmachung von Masseverbindlichkeiten
Neufassung als fachliche Weisung
Diese sind unter dem Link https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/Weisung201712017_ba016031.pdf aufzurufen und einzusehen.
2. Voraussetzungen des Anspruchs auf Insolvenzgeld
Es besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn ein Insolvenzereignis vorliegt und im Zeitpunkt der Antragstellung bzw. - soweit die Antragstellung vor dem Insolvenzereignis erfolgt ist - im Zeitpunkt des Insolvenzereignisses für den Insolvenzgeld-Zeitraum noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestehen.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben nur Arbeitnehmer. Dazu gehören auch Heimarbeiter, beschäftigte Studenten und Schüler, Auszubildende und geringfügig Beschäftigte. Bestehen Zweifel über die Arbeitnehmereigenschaft, ist auf den sozialversicherungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung abzustellen (BSG, 07.09.1988 - 10 RAr 10/87), wobei aber das Bestehen der Versicherungspflicht nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Insolvenzgeld ist.
Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist im Recht der Arbeitsförderung als Arbeitnehmer anzusehen. Der 11. Senat des Bundesozialgericht hat in einer Entscheidung vom 03.11.2021 seine bisherige Rechtsprechung zur organschaftlichen Stellung eines Vorstandes einer Aktiengesellschaft aufgegeben. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist ein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne und hat Anspruch auf Insolvenzgeld (BSG v. 3.11.2021 - B 11 AL 4/20 R)
Arbeitgeber i.S.d. §§ 165 ff SGB III ist jeder, der einen Arbeitnehmer beschäftigt und diesem ein Arbeitsentgelt zu zahlen hat.
Weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Zahlung von Insolvenzgeld ist das Insolvenzereignis. Dies sind
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III) oder
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) oder
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III).
Zuletzt ist noch innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem rechtserheblichen Insolvenzereignis bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld zu stellen (§ 324 Abs. 3 SGB III).
Außerdem muss ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegen.
3. Insolvenzgeldansprüche von Erben
Im Falle des Todes des Arbeitnehmers vor Stellung eines eigenen Insolvenzgeld-Antrags können die rückständigen Entgeltansprüche durch die Erben geltend gemacht werden.
Dabei kann es sich nur um Ansprüche handeln, die dem Arbeitnehmer schon zu Lebzeiten zustanden.
Arbeitsrechtliche Ansprüche, die erst mit dem Tod des Arbeitnehmers entstehen und einem Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen sind, begründen keinen Anspruch auf Insg. Dies können z.B. Entgeltfortzahlung bei Tod oder Sterbegeld sein.
Ist die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nach der Antragstellung und nach dem Insolvenzereignis gestorben, wird der fällige Insolvenzgeld-Anspruch gem. § 58 SGB I nach den Vorschriften des BGB vererbt.
Die Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn der Arbeitnehmer nach der Antragstellung, aber vor dem Insolvenzereignis stirbt.
Praxistipp:
Die Erben müssen den Nachweis der Erbberechtigung gegenüber der Agentur für Arbeit grundsätzlich durch Vorlage des Erbscheines führen. Dies gilt auch, wenn ein Testament vorhanden ist.
4. Insolvenzgeldumlage
Die Insolvenzgeldumlage ist mit wenigen Ausnahmen von allen Arbeitgebern für jeden Arbeitnehmer zu zahlen. Für die Umlagepflicht ist die Größe, Branche und Ertragslage des Betriebes irrelevant.
Der Umlagesatz für das Insolvenzgeld betrug im Jahr 2020 - wie in den beiden Vorjahren - 0,06 Prozent. Dies regelte die Insolvenzgeldumlagesatzverordnung 2020, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat. Der Umlagesatz von 0,06 Prozent galtfür das Kalenderjahr 2020.
Im Jahr 2021 lag die Insolvenzgeldumlage bei 0,12 Prozent. Zum 1. Januar 2022 sinkt der Umlagesatz nun auf 0,09 Prozent.
Die Insolvenzgeldumlage ist zusammen mit dem Gesamtversicherungssozialbeitrag an die Einzugsstelle, das sind die Krankenkassen, zu zahlen.
Die Einzugsstelle leitet die Insolvenzgeldumlage an die Bundesagentur für Arbeit weiter (§ 359 SGB III).
Die Rentenversicherungsträger prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese die Insolvenzgeldumlage ordnungsgemäß entrichtet haben (§ 28p Abs. 1 SGB IV).