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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Betriebsbuße
Betriebsbuße
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Die Betriebsbuße ist der Art nach eine Disziplinarmaßnahme, mittels derer der Arbeitgeber die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb sicherstellen will. Die Betriebsbuße ist eine Sanktion mit Strafcharakter. Insofern geht sie über die individualrechtlich möglichen Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsinhabers noch hinaus. Daher ist sie auch zu unterscheiden von der Vertragsstrafe, die zur arbeitsvertraglichen Absicherung schuldrechtlicher Ansprüche des Unternehmers gegen den Mitarbeiter vereinbart und geltend gemacht werden kann. Die Betriebsbuße ist weiterhin zu unterscheiden von der Abmahnung. Auch die Abmahnung hat keinen Strafcharakter. Sie stellt lediglich die Wahrnehmung eines Rügerechts zur Sicherung arbeitsvertraglicher Ansprüche dar (BAG, 15.01.1986 - 5 AZR 70/84).
Wegen ihres Strafcharakters sind Betriebsbußen auch nur statthaft bei kollektivrechtlichen Verstößen gegen die Ordnung im Betrieb.
2. Arten von Betriebsbußen
Betriebsbußen können verhängt werden in Gestalt
einer Verwarnung,
eines Verweises,
einer Geldbuße sowie
durch Entzug von Vergünstigungen (BAG, 14.12.1966 - 4 AZR 18/65 und BAG, 22.10.1985 - 1 ABR 38/83).
Wegen der damit einher gehenden Umgehung von kündigungsschutzrechtlichen Normen ist die Kündigung selbst keine Form der Betriebsbuße und als solche daher unzulässig.
3. Unterscheidungsmerkmale von Betriebsbußen
Die Verwarnung ist die niedrigste Stufe der Ahndung. Sie wird in aller Regel lediglich mündlich ausgesprochen. Über Anlass und Zeitpunkt der Verwarnung wird jedoch regelmäßig ein interner schriftlicher Vermerk gefertigt.
Der Verweis als nächsthöhere Stufe wird in aller Regel dem betroffenen Mitarbeiter in Schriftform ausgehändigt und der Empfang quittiert. Um dem Mitarbeiter nachhaltig vor Augen zu führen, weshalb er den Verweis erhalten hat und was ggfl. im Wiederholungsfall passieren kann, ist der Verweis mit einer detaillierten schriftlichen Begründung zu versehen.
Die Geldbuße als schwer wiegendste Form muss hinsichtlich ihrer Art und Höhe angemessen sein. Ähnlich den Geldbußen mit denen im gerichtlichen Strafverfahren eine Einstellung des Verfahrens herbeigeführt wird, soll die Geldbuße an eine Wohlfahrtseinrichtung gezahlt werden. Diese Einrichtung kann innerbetrieblicher Natur (Hilfsfonds für Hinterbliebene ehemaliger Mitarbeiter) oder externer Art (Caritas, Deutsches Rotes Kreuz o.ä.) sein. Geldbußen zu Gunsten des Arbeitgebers sind unzulässig. Der von den Bußenordnungen vorzusehende Rahmen für Geldbußen bewegt sich in aller Regel zwischen einem halben und einem ganzen Tagesverdienst des bestraften Mitarbeiters.
4. Rechtsgrundlagen
Nach ganz überwiegender Meinung kommt als Rechtsgrundlage für eine wirksam zu verhängende Betriebsbuße nur eine auf einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung basierende Betriebsbußenordnung in Betracht (BAG, 05.12.1975 - 1 AZR 94/74; BAG, 07.11.1979 - 5 AZR 962/77).
§ 1 Abs. 1 TVG erlaubt den Tarifparteien betriebsverfassungsrechtliche Normen zu erlassen. Hierunter fallen auch Betriebsbußenordnungen. Beachtlich dabei ist, dass diese Betriebsbußenordnungen, die ein dem Arbeitgeberverband angehöriger Unternehmer mit dem Betriebsrat aufgrund des Tarifvertrages abschließt, auch gegenüber den Mitarbeitern gilt, die selbst nicht Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft sind. Die Betriebsbußenordnung hat somit allgemeinverbindlichen Charakter.
Eine weitere Rechtsquelle für Betriebsbußen ist eine spezielle Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat in all den Fällen, in denen ein Tarifvertrag als Ermächtigungsgrundlage fehlt, etwa weil der Arbeitgeber nicht Mitglied des vertragsschließenden Arbeitgeberverbandes ist. Betriebsvereinbarungen basieren auf § 77 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beim Abschluss der Betriebsbußenordnung ergibt sich aus § 87 Abs. 1 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht umfasst nicht nur die Mitgestaltung der betrieblichen Bußenordnung, sondern auch die Verhängung einer sich daraus ableitenden Strafmaßnahme (BAG, 12.09.1967 - 1 AZR 34/66 und BAG, 25.02.1966 - 4 AZR 179/63).
5. Mitbestimmung bei der Ausgestaltung
Die Verhängung einer Betriebsbuße ist nur aufgrund einer mitbestimmungspflichtigen Bußordnung (Betriebsvereinbarung bzw. Spruch der Einigungsstelle) und nur wegen eines Verstoßes gegen die Regeln über das Ordnungsverhalten zulässig (BAG, 17.10.1989 - 1 ABR 100/88;, BAG, 05.12.1975 - 1 AZR 94/74). Die Bußordnung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
sie ist den Arbeitnehmern in geeigneter Weise bekannt zu machen;
sie muss die Tatbestände, die zur Verhängung einer Betriebsbuße berechtigen, hinreichend genau bezeichnen;
sie muss die zulässigen Bußen (Verwarnungen, Verweise, Geldbußen) normieren; als Buße kann nicht die Entlassung im Disziplinarweg vorgesehen werden (BAG, 28.04.1982 - 7 AZR 962/79);
sie muss ein rechtsstaatliches, ordnungsmäßiges Verfahren vorsehen, z.B. muss dem betroffenen Arbeitnehmer vor der Verhängung der Betriebsbuße rechtliches Gehör gewährt werden.
Wenn aufgrund einer Bußordnung eine Betriebsbuße verhängt wird, so besteht auch bei der Verhängung der einzelnen Betriebsbußen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, weil es sich dabei um die Durchsetzung der kollektiven betrieblichen Ordnung handelt (BAG, 05.12.1975 - 1 AZR 94/74).
Wenn der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied wegen einer Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verwarnen oder abmahnen will, ist dies nur durch Verhängung einer entsprechenden mitbestimmungspflichtigen Betriebsbuße auf der Grundlage einer Bußordnung zulässig (BAG, 05.12.1975 - 1 AZR 94/74).
6. Betriebsbuße und Kündigung
Das BAG hatte das Verhältnis der Betriebsbuße zur Kündigung zunächst so gesehen, dass unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Arbeitgeber grundsätzlich zum milderen Mittel der Betriebsbuße greifen müsse (BAG, 17.03.1988 - 2 AZR 576/87).
Mit Urteil vom 17.01.1991 hat das BAG dann allerdings festgestellt, dass ein solcher Vorrang nicht bestehe (BAG, 17.01.1991 - 2 AZR 375/90).
Zulässigkeitsgrenzen bestehen für Betriebsbußen insoweit, als Entlassungen und auch Änderungskündigung, Rückgruppierung und Versetzung als Betriebsbußen grundsätzlich ausscheiden, da die Kündigung ein vertragliches Gestaltungsmittel und kein Sanktionsmittel darstellt (zur Unvereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Kündigungsschutzrecht vgl. BAG, 28.04.1982 - 7 AZR 962/79).
7. Rechtsbehelfe
Für den Fall, dass der Arbeitgeber gegen einen Mitarbeiter eine Geldbuße verhängt, kann der bestrafte Mitarbeiter eine Leistungsklage auf Auszahlung des strafweise einbehaltenen Entgelts erheben. So weit der Lohnabzug noch nicht vollzogen ist, kommt als Rechtsbehelf die negative Feststellungsklage in Betracht, mit der gerichtlich festgestellt werden soll, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, die Geldbuße zu zahlen bzw. den Lohnabzug zu dulden.
Auch in den Fällen, in denen lediglich eine Verwarnung ausgesprochen bzw. ein Verweis erteilt wurde, kommt als Rechtsbehelf die Feststellungsklage in Betracht. Festgestellt soll dabei werden, dass die entsprechende innerbetriebliche Maßnahme rechtswidrig war. Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch das zuständige Arbeitsgericht ist dabei nicht nur die getroffene Einzelmaßnahme. Vielmehr kommt im Rahmen dieses Verfahrens auch die Bußordnung selbst auf den juristischen Prüfstand. Die gerichtliche Prüfung umfasst dabei auch die Frage, ob der Mitarbeiter den ihm zur Last gelegten Tatbestand rechtswidrig und schuldhaft erfüllt hat und ob die daran anknüpfende Maßnahme verhältnismäßig war (BAG, 12.09.1967 - 1 AZR 34/66). Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass für den zugrunde liegenden Sachverhalt die verhängte Strafe zu hart war, kann es diese nach § 343 BGB herabsetzen, d.h. einen schriftlichen Verweis zu einer mündlichen Verwarnung herabstufen.
8. Tilgung
Es empfiehlt sich, in der jeweiligen Betriebsbußenordnung Regelungen zu treffen bezüglich der Fristen binnen derer Betriebsbußen getilgt und entsprechende Vermerke und Unterlagen aus der Personalakte des Mitarbeiters entfernt werden. Zudem sollte der Mitarbeiter bereits im Zeitpunkt der Verhängung einer solchen Betriebsbuße Kenntnis darüber erlangen, wann die Nachweise über diese Betriebsbuße getilgt werden und seine Personalakte wieder "sauber" ist.