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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Beschwerde
Beschwerde
Inhaltsübersicht
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Information
1. Beschwerderecht des Arbeitnehmers nach § 84 BetrVG
1.1 Allgemeines zum Beschwerderecht des Arbeitnehmers
Jeder Arbeitnehmer kann sich nach § 84 Abs. 1 BetrVG bei den zuständigen Stellen des Betriebes beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von anderen Betriebsangehörigen benachteiligt, ungerecht behandelt und in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Das Beschwerderecht nach § 84 BetrVG besteht auch in Betrieben, in denen kein Betriebsrat gebildet worden ist.
Beschwerdegegenstand kann jede individuelle Beeinträchtigung oder Benachteiligung sein. Nicht entscheidend ist, dass eine Beeinträchtigung tatsächlich vorliegt. Das Beschwerderecht besteht auch dann, wenn nur nach dem subjektiven Empfinden des Arbeitnehmers eine Benachteiligung vorliegt ("...beeinträchtigt fühlt"). Voraussetzung des Beschwerderechts ist aber, dass eine persönliche Benachteiligung angesprochen wird. Ausgeschlossen sind daher Popularbeschwerden, bei denen der Arbeitnehmer sich wegen einer falschen Behandlung anderer Kollegen beim Arbeitgeber beschwert.
Der Grund der Beschwerde muss im betrieblichen Bereich liegen. Die Beeinträchtigung kann in der Vereitelung von Rechtsansprüchen (falsche Eingruppierung, Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz o.ä), aber auch in einer betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellung liegen. Zudem können rein faktische Benachteiligungen (z.B. Überlastung wegen zunehmender Mehrarbeit) Grund für eine Beschwerde sein. Das Vorbringen des Arbeitnehmers muss also einen Beschwerdegegenstand enthalten. Es muss kenntlich sein, in welchen tatsächlichen Umständen der Arbeitnehmer eine Beeinträchtigung erblickt, denn nur so kann der Arbeitgeber der Beschwerde nachgehen und ihr abhelfen.
Der Grund für die Beschwerde des Arbeitnehmers muss nicht unbedingt in einem angeblichen Fehlverhalten des Arbeitgebers liegen. Auch Beschwerden über das Fehlverhalten von Arbeitskollegen können nach § 84 Abs. 1 BetrVG vorgebracht werden. Gleiches gilt für ein Tun oder Unterlassen durch Leiharbeitnehmer oder sonstige Arbeitnehmer von Drittfirmen, die im Betrieb tätig sind.
Die behauptete Beeinträchtigung kann rechtlicher oder tatsächlicher Art sein und muss im Zusammenhang mit der Arbeitserledigung stehen, also die Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne betreffen. Rechtsansprüche des Arbeitnehmers können sich aus Gesetz, dem Tarifvertrag oder aus betrieblicher Übung ergeben. Materiell können z.B. Ansprüche wegen Arbeitsentgelt oder unrichtiger Personalbeurteilung betroffen sein.
Die Beschwerde kann sich auch gegen eine zur Personalakte des Arbeitnehmers genommene Verwarnung oder Abmahnung richten. Ausgeschlossen sind jedoch Beschwerden gegenüber dem Betriebsrat oder einzelnen Betriebsratsmitgliedern wegen mangelhafter Ausübung des Betriebsratsamtes. In diesen Fällen kommt aber ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht.
Das Gesetz hat keine Form- und Fristvorschriften für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens normiert. Die Beschwerde des Arbeitnehmers kann also formlos, z.B. mündlich, per sms, per E-Mail, per Fax oder in schriftlicher Form vorgetragen werden. Evtl. Formvorschriften können aber nach § 86 BetrVG in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt werden. Die Beschwerde kann neben oder während der Arbeitszeit geltend gemacht werden. Erfolgt eine Einlegung der Beschwerde während der Arbeitszeit, ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer für diese Zeit den Lohn in Abzug zu bringen. Die Einlegung der Beschwerde darf aber nicht dazu führen, dass der Arbeitsablauf behindert wird.
Der Arbeitnehmer hat seine Beschwerde an die zuständige Stelle des Betriebes zu richten. Dies ist die betriebliche Beschwerdestelle, soweit eine solche besteht. Ansonsten ist die Beschwerde an den direkten Vorgesetzten (Hessisches LAG, 9.5.2012 – 18 Sa 1596/11) bzw. die Personalabteilung zu richten.
Das Wort "Beschwerde" braucht der Arbeitnehmer nicht zu benutzen. Aus seinem Vorbringen muss aber deutlich zum Ausdruck kommen, dass und warum er sich beschwert fühlt. Der Arbeitnehmer hat kein Recht darauf, dass seine Beschwerde anonym behandelt wird. Der Arbeitgeber ist aber gehalten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu beachten und die Beschwerde Dritten gegenüber vertraulich zu behandeln.
Durch die Einlegung der Beschwerde wird der Ablauf gesetzlicher oder tariflicher Verfallsfristen in der Regel nicht gehemmt. Allerdings werden tarifliche Ausschlussfristen durch die Einlegung einer Beschwerde dann gehemmt, wenn der Tarifvertrag allein eine schlichte Geltendmachung der Rechte verlangt.
Das Beschwerderecht des Arbeitnehmers kann durch Zeitablauf verwirken. Eine Verwirkung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nach einem zur Erhebung einer Beschwerde berechtigenden Fehlverhalten des Arbeitgebers eine erhebliche Zeitspanne ohne erkennbare Reaktion verstreichen lässt und dadurch beim Arbeitgeber den Eindruck erweckt, die Angelegenheit sei erledigt.
1.2 Hinzuziehung des Betriebsrats
Zur Unterstützung oder Vermittlung kann der Arbeitnehmer ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen, § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Das Betriebsratsmitglied kann vom Arbeitnehmer ermächtigt werden, allein für ihn oder zusammen mit ihm tätig zu werden, um die Interessen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Verweigert der Betriebsrat seine Unterstützung, kann der Arbeitnehmer eine Mitwirkung des Betriebsrats nicht erzwingen. Möglich ist allerdings die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG.
1.3 Pflichten des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer über die Behandlung einen Bescheid zu erteilen und der Beschwerde, sofern sie berechtigt ist, abzuhelfen, § 84 Abs. 2 BetrVG. Bei längerer Bearbeitungsdauer ist dem Arbeitnehmer ein Zwischenbescheid zu erstellen.
Der Arbeitgeber hat die Beschwerde des Arbeitnehmers zu prüfen und sich zur Beschwerde zu äußern. Der Arbeitgeber ist aber nicht gehalten, die vom Arbeitnehmer kritisierte Sachlage vorerst einzufrieren. Die Einlegung der Beschwerde entfaltet insofern keine aufschiebende Wirkung gegenüber Maßnahmen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer ist folglich z.B. verpflichtet, der seiner Ansicht nach ungerechtfertigten Aufforderung des Arbeitgebers nachzukommen. Er hat angeordnete Tätigkeiten auszuführen bzw. den ungerechtfertigten Zustand zu ertragen. Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings, wenn dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.
1.4 Maßregelungsverbot
Dem Arbeitnehmer dürfen aus der Wahrnehmung des Beschwerderechts keine Nachteile entstehen (§ 84 Abs. 3 BetrVG). Unzulässig sind alle Maßregelungen des Arbeitnehmers, die im Zusammenhang mit der Einlegung der Beschwerde stehen. Dies gilt selbst dann, wenn sich im Nachherein herausstellt, dass die Beschwerde unberechtigt war. Eine allein wegen der Einlegung einer Beschwerde ausgesprochene Kündigung ist daher gem. § 84 Abs. 3 BetrVG unwirksam (BAG, 11.03.1982 - 2 AZR 798/79).
Sanktionen gegen den Arbeitnehmer können allerdings wegen des Inhalts oder der Schwere der Begleitumstände der Beschwerde gerechtfertigt sein. Die Beschwerde darf nicht mit beleidigenden oder haltlosen Vorwürfen begründet werden. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber durch Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung reagieren, ohne dass § 84 Abs. 3 BetrVG entgegensteht (LAG Hamm, 11.02.2004 - 18 Sa 1847/03; LAG Köln, 20.01.1999 - 8 (10) Sa 1215/98). Macht der Arbeitnehmer von seinem Beschwerderecht gemäß § 84 Abs. 1 BetrVG Gebrauch, ohne dass sich dabei hasserfüllte, feindselige oder bösartige Motive feststellen lassen, ist eine außerordentliche Kündigung wegen ehrverletzender Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber unwirksam (Hessisches LAG, 12.5.2011 – 5 Sa 1863/10).
Verstößt der Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot nach § 84 Abs. 3 BetrVG kann er sich ggf. schadensersatzpflichtig machen. § 84 Abs. 3 BetrVG ist Schutzgesetz zu § 823 Abs. 2 BGB.
2. Beschwerden gegenüber Betriebsrat
Der Betriebsrat hat nach § 85 Abs. 1 BetrVG Beschwerden der Arbeitnehmer entgegen zu nehmen. Das Beschwerdeverfahren nach § 85 BetrVG ist von der Arbeitnehmerbeschwerde nach § 84 BetrVG unabhängig. Der Arbeitnehmer hat insofern die Wahl, ob er nach § 84 oder § 85 BetrVG vorgeht.
Der Begriff der Beschwerde wird in § 85 BetrVG in derselben Bedeutung gebraucht wie in § 84 BetrVG. Danach liegt eine Beschwerde im Vorbringen des Arbeitnehmers, mit dem dieser auf eine Benachteiligung, ungerechte Behandlung oder eine sonstige Beeinträchtigung durch den Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer des Betriebes hinweist und Abhilfe des belastenden Zustands begehrt (BAG, 11.03.1982 - 2 AZR 798/79; BAG, 22.11.2005 - 1 ABR 50/04). Ob eine Beeinträchtigung des Arbeitnehmers objektiv vorliegt, ist für die Beschwerde und die Zuständigkeit der Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG unerheblich. Es ist auf das rein subjektive Empfinden des Arbeitnehmers abzustellen, da die Berechtigung der Beschwerde gerade erst im Einigungsstellenverfahren geklärt werden soll (LAG Hamburg, 23.07.2004 - 6 TaBV 3/04). Unschädlich ist, dass die Beschwerde die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis betrifft. Der Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens nach § 85 BetrVG ist umfassend. Es muss lediglich ein Zusammenhang zwischen dem Beschwerdegegenstand und dem Arbeitsverhältnis bestehen.
Ebenso wie bei § 84 BetrVG muss der Arbeitnehmer eine eigene Beeinträchtigung vorbringen. Er muss sich selbst betroffen fühlen. Eine sog. Popularbeschwerde, mit der ein Arbeitnehmer sich zum Fürsprecher anderer Belegschaftsmitglieder macht, ist unzulässig. Zulässig ist aber das gleichzeitige Vortragen einer Beschwerde durch mehrere betroffene Arbeitnehmer. Dies stellt keine unzulässige Popularklage dar, sondern eine Bündelung zulässiger Individualbeschwerden (LAG Hamburg, 23.07.2004 - 6 TaBV 3/04).
2.1 Entgegennahme von Beschwerden
Der Betriebsrat hat nach § 85 Abs. 1 BetrVG Beschwerden von Arbeitnehmern entgegen zu nehmen und falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Der Betriebsrat ist also zunächst gehalten, die Beschwerde entgegen zu nehmen und dann zu prüfen, ob er die Beschwerde für gerechtfertigt hält.
Hält der Betriebsrat die Beschwerde für gerechtfertigt, muss er beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken. Hierzu ist die Beschwerde an den Arbeitgeber bzw. die zuständige Stelle beim Arbeitgeber weiterzuleiten und die Angelegenheit zu erörtern. Wird die Berichtigung der Beschwerde von Betriebsrat und Arbeitgeber gleichermaßen anerkannt, ist das Verfahren nach § 85 BetrVG. Nun ist allein Sache des Arbeitgebers, wie er die festgestellte Benachteiligung des Arbeitnehmers behebt. Der Betriebsrat kann allerdings Vorschläge hierzu unterbreiten, denen der Arbeitgeber aber nicht zu folgen braucht.
Hält der Betriebsrat die Beschwerde für unberechtigt, so hat er dies dem Arbeitnehmer mitzuteilen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Tätigwerden des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber.
Betriebsratsmitglieder, die eine Beschwerde im Sinne des § 85 BetrVG beim Betriebsrat angebracht haben, sind bei der Beschlussfassung des Betriebsrats sowohl hinsichtlich der Berechtigung der Beschwerde als auch hinsichtlich der Anrufung der Einigungsstelle gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausgeschlossen. Die mit ihrer Mitwirkung gefassten Beschlüsse sind unwirksam und stehen der Einrichtung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG entgegen (LAG Nürnberg, 16.10.2012 – 7 TaBV 28/12).
2.2 Anrufung der Einigungsstelle
Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies gilt nicht, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist. Betrifft die Beschwerde des Arbeitnehmers Rechtsansprüche des Arbeitnehmers, kann der Betriebsrat das Einigungsstellenverfahren nicht erzwingen (ArbG Marburg, 30.10.1998 - 2 BV 9/98; LAG Hamm, 5.10.2009 – 10 TaBV 63/09).Das Verfahren richtet sich also nach dem Beschwerdegegenstand. Geht es bei der Beschwerde des Arbeitnehmers um sog. Regelungsfragen, kann der Betriebsrat gem. § 85 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen, die dann durch verbindlichen Beschluss entscheidet. Ein zwingendes Einigungsstellenverfahren kommt also nur dann in Betracht, wenn die Streitigkeit rein tatsächliche Beeinträchtigungen und Beschwerden tatsächlicher Art zum Inhalt hat. Über die Anrufung der Einigungsstelle entscheidet allein der Betriebsrat. Der Arbeitgeber oder der Beschwerde einlegende Arbeitnehmer ist nicht befugt, die Einigungsstelle anzurufen. Im übrigen ist die Einigungsstelle nach § 98 Abs. 1 ArbGG jedenfalls dann zu bilden, wenn zweifelhaft ist, ob der vom Arbeitnehmer vorgetragene Beschwerdegrund rechtlicher oder tatsächlicher Art ist (LAG Rheinland-Pfalz, 16.1.2008 – 7 TaBV 60/07; LAG Hamm, 5.10.2009 – 10 TaBV 63/09).
Beispiele aus der Rechtsprechung:
Bei einer Arbeitnehmerbeschwerde über eine fehlerhafte oder benachteiligende Schichtplaneinteilung kann die Einigungsstelle nicht nach § 85 BetrVG angerufen werden, denn der Arbeitgeber kann der Beschwerde wegen der zu beachtenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht einseitig abhelfen. Der Betriebsrat kann aber entweder einen Unterlassungsanspruch geltend machen, die Einigungsstelle nach § 87 BetrVG anrufen oder die entsprechende Betriebsvereinbarung kündigen (LAG Köln, 17.09.2007 - 2 TaBV 42/07).
Beschweren sich Arbeitnehmer darüber, dass der Arbeitgeber für den Betrieb, in dem sie tätig sind, keine betriebliche Altersversorgung eingeführt hat, kommt ein Einigungsstellenverfahren nach § 85 Abs. 2 BetrVG nicht in Betracht (LAG Köln, 7.5.2008 – 7 TaBV 20/08).
Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern auf Arbeitsbefreiung zur Durchführung ihrer Aufgaben und auf betriebsübliche Vergütung sind echte Rechtsansprüche. Eine derartige Ansprüche betreffende Beschwerde kann deshalb nicht gegen den Willen des Arbeitgebers zum Gegenstand einer erzwungenen Einigungsstelle gemacht werden (Hessisches LAG, 03.04.2007 - 4 TaBV 39/07).
Der Arbeitnehmer kann seine Beschwerde gegenüber dem Betriebsrat jederzeit wieder zurück nehmen. In diesem Fall ist das Verfahren vor der Einigungsstelle einzustellen.
Die Einigungsstelle hat nach Anrufung durch den Betriebsrat über die Beschwerde des Arbeitnehmers zu entscheiden. Dabei muss sie in ihrem Spruch diejenigen konkreten tatsächlichen Umstände benennen, die sie als zu vermeidende Beeinträchtigung des Arbeitnehmers ansieht. Andernfalls ist dem Arbeitgeber keine wirksame Abhilfe möglich (BAG, 22.11.2005 - 1 ABR 50/04).
Der Spruch der Einigungsstelle, mit dem diese die Berechtigung einer Beschwerde des Arbeitnehmers feststellt, verpflichtet den Arbeitgeber, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Allerdings darf die Einigungsstelle nicht über Abhilfemaßnahmen des Arbeitgebers entscheiden. Solche Maßnahme zu bestimmen, ist allein Sache des Arbeitgebers (BAG, 22.11.2005 - 1 ABR 50/04; LAG Düsseldorf, 21.12.1993 - 8 (5) TaBV 92/93).
Eine Einigungsstelle ist nicht offensichtlich unzuständig, wenn sie wegen einer Arbeitnehmerbeschwerde, die den Vorwurf des Mobbings enthält, angerufen wird (LAG Hamm, 5.10.2009 – 10 TaBV 63/09).
Bei einer Einigungsstelle über die Berechtigung der Beschwerde eines Arbeitnehmers gemäß § 85 Abs. 2 BetrVG genügt in der Regel die Bestellung eines Beisitzers pro Seite (Hessisches LAG; 3.11.2009 – 4 TaBV 185/09).
2.3 Unterrichtung des Betriebsrats
Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber über die Behandlung der Beschwerde zu unterrichten.
3. Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung
Nach § 86 BetrVG können durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens geregelt werden. Die Betriebsparteien können auch eine Beschwerdeordnung erlassen, die folgende Bestimmungen enthalten sollte:
Form und Frist einer Beschwerde
Anhörung der Beteiligten
Vorentscheidung des zuständigen Vorgesetzten
Einspruch bei einem Beschwerdeausschuss und dessen Zusammensetzung
Geschäftsordnung und Form der endgültigen Entscheidung, vorbehaltlich der Beschreitung des Rechtswegs.
Unzulässig ist es aber, kollektivrechtliche Regeln zu erlassen, die dem Arbeitnehmer die Wahlmöglichkeit zwischen den Rechten aus § 84 und § 85 BetrVG abschneiden. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann bestimmt werden, dass in den Fällen des § 85 Abs. 2 BetrVG an die Stelle der Einigungsstelle eine betriebliche Beschwerdestelle tritt.
4. Beschwerde nach dem Arbeitsschutzgesetz
Nach § 17 Abs. 2 ArbSchG kann sich ein Arbeitnehmer bei der zuständigen Behörde beschweren, wenn er der Auffassung ist, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz nicht ausreichen. Die Beschwerdebefugnis steht dem Arbeitnehmer erst dann zu, wenn er über konkrete Anhaltspunkte eines Misstandes verfügt. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber dem Missstand nicht abhilft. Die Beschwerde bei der zuständigen Behörde ist insofern nur dann zulässig, wenn zuvor das betriebsinterne Verfahren erfolglos geblieben ist. Das außerbetriebliche Beschwerderecht nach § 17 ArbSchG setzt nach überwiegender Auffassung eine konkrete Gefahr voraus, also eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf zu einem nicht unerheblichen Schaden führt. Bloße Vermutungen, dass ein Schaden eintritt, genügen demnach nicht. Eine persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers ist nicht erforderlich. Das Beschwerderecht besteht auch dann, wenn „nur“ Arbeitskollegen oder Dritte betroffen sind.
Das Beschwerderecht ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer der Auffassung ist, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz nicht ausreichen. Hierzu gehören folgende Fallkonstellationen (Landmann/Rohmer, ArbSchG, § 17 Rdnr. 9 m.w.N.):
Der Arbeitgeber antwortet nicht innerhalb einer angemessenen Frist, wobei die Angemessenheit je nach der befürchteten Gefahr bis hin zur unverzüglichen Antwort reichen kann.
Die Antwort des Arbeitgebers ist nach Meinung des Arbeitnehmers unzureichend.
Es gibt Anhaltspunkte, dass auch die Ersatzmaßnahmen nicht ausreichen.
Der Arbeitgeber unternimmt wegen Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde nichts.
Die zugesagte Abhilfe wird nicht unverzüglich durchgeführt.
Dem Arbeitgeber ist die Nichteinhaltung der Arbeitsschutzvorschriften bereits bekannt. Dennoch erfolgen keine Abhilfemaßnahmen.
Der Arbeitgeber hat auf gleichgelagerte Beschwerden anderer Beschäftigter nicht reagiert.
Eine Forderung selbst des Betriebs- bzw. Personalrats ist unbeachtet geblieben.
Es liegt eine vorsätzliche Straftat des Arbeitgebers gegen Beschäftigte oder die Umwelt im Sinne der §§ 324 ff. StGB vor.
Zuständige Behörde nach § 17 ArbSchG ist regelmäßig das Gewerbeaufsichtsamt oder der Unfallversicherungsträger. Dem Arbeitnehmer dürfen durch die Beschwerde keinerlei Nachteile entstehen. Das Nachteilsverbot gilt auch dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass entgegen der Annahme des Arbeitnehmers die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen ausreichend waren. Dies gilt jedenfalls, wenn der Arbeitnehmer konkrete Anhaltspunkte für einen Pflichtverstoß des Arbeitgebers vortragen kann, den dieser nicht zu widerlegen vermag (Hessisches LAG, 104.2002 – 15 Sa 411/01).
5. Beschwerde nach AGG
Nach § 13 Abs. 1 des AGG haben Beschäftigte das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhanf mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines Diskriminierungsmerkmals (§ 1 AGG) benachteiligt fühlen. § 13 Abs. 1 AGG enthält ein Beschwerderecht, aber keine Beschwerdepflicht. Insbesondere ist die Erhebung einer Beschwerde nicht Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 15 AGG. Die Beschwerde kann formlos eingelegt werden. Möglich sind sowohl mündliche als auch schriftliche Beschwerden. Das Beschwerderecht nach § 13 AGG steht allen Arbeitnehmern zu, also auch den leitenden Angestellten. Beschwerdebefugt sind auch die arbeitnehmerähnlichen Personen und Heimarbeiter. Das Beschwerderecht gilt unabhängig von der Betriebsgröße, es gilt also auch in Kleinbetrieben. Die in § 13 AGG geforderte Benachteiligung muss nicht stets vom Arbeitgeber oder einem Vorgesetzten herrühren. Das Recht der Beschwerde steht Arbeitnehmern auch dann zu, wenn die Benachteiligung durch andere Beschäftigte oder Dritte erfolgt.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG haben Beschäftigte das Recht sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes zu schweren. Der Arbeitgeber ist verpflichtet diese zuständige Stelle zu bestimmen. Er ist nach § 12 Abs. 5 AGG zur Bekanntmachung der zuständigen Stelle für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 AGG verpflichtet. Unterlässt der Arbeitgeber die Benennung einer zuständigen Stelle, ist er selbst zuständige Stelle. Der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, eine Stelle zu bestimmen, die ausschließlich für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 AGG zuständig ist. Der Arbeitgeber kann also auch Stellen, die für Beschwerden nach § 84 BetrVG zuständig sind zugleich als zuständige Stelle im Sinne von § 13 AGG bestimmen. Streitig ist, ob der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den Betriebsrat als zuständige Stelle zu bestimmen (zum Streitstand s. Oetker, NZA 2008, 264).
Der Arbeitgeber hat die Beschwerde zu prüfen und das Ergebnis dem Beschwerde führenden Beschäftigten mitzuteilen, § 13 Abs. 2 AGG. Die Mitteilung an den Beschäftigten kann formlos, also auch mündlich erfolgen. Eine schriftliche Mitteilung ist aber aus Beweisgründen zu empfehlen. Das Ergebnis der Prüfung der Beschwerde ist nur dem Beschwerdeführer mitzuteilen. Eine Mitteilungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat besteht nicht.
Siehe auch
BetriebsratBetriebsvereinbarungMaßregelungsverbotMobbingProzessfristenSexuelle Belästigung