#Beziehung am 07.11.2022

Trennung verarbeiten – Schmerz gehört dazu

Manchmal ist eine Trennung nicht zu vermeiden: Ein junges Paar steht sich gestikulierend und aufgebracht gegenüber und streitet.
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Es tut weh, sich von lieb gewonnenen Menschen zu trennen. Warum dieses Gefühl normal ist und wie es sich bewältigen lässt, weiß der Psychiater Prof. Dr. med. Günter H. Seidler.

Manchmal verlaufen die individuellen Lebenswege während einer Partnerschaft oder Freundschaft in verschiedene Richtungen. Eine Trennung ist dann die logische Konsequenz – auch wenn es weh tut. In unserem Interview erklärt Professor Dr. Seidler aus Dossenheim bei Heidelberg, woran Beziehungen scheitern können und wie du den Trennungsschmerz bewältigen kannst, um wieder positiv in die Zukunft zu schauen.  

Herr Professor Seidler, im Laufe des Lebens gehen Freundschaften und Beziehungen auseinander. Warum?

Das hängt mit dem Lauf des Lebens zusammen. Menschen gehen Bindungen mit Menschen ein, wenn ihre Wege parallel laufen. Mit der Zeit entwickeln sich Menschen aber weiter und manchmal auch auseinander. Dann ist es naheliegend, dass man wieder getrennte Wege geht.

Und plötzlich sieht man den besten Kumpel oder die beste Freundin nicht mehr?

Bei Freundschaften sind diese schleichenden Abschiede eher die Regel als die Ausnahme. Wenn Menschen sich entwickeln oder verändern, teilen sie dies ja nicht mit. Man lebt sich auseinander, weil einen das Leben in verschiedene Richtungen lenkt. Manchmal hat man mit einer Illusion gelebt. Menschen haben immer viele Seiten, und mitunter sieht man manche Seiten nicht oder will sie nicht sehen.

Was löst es in uns aus, wenn sich nahestehende Menschen abwenden?

Die Spannbreite der Reaktionen ist sehr groß. Das kann von Erleichterung bis zu einem Gefühl völliger Einsamkeit und totalem Erleben der Verlassenheit reichen.

Macht es einen Unterschied, ob es sich um einen Freund oder den Partner handelt?

Freundschaften hängen häufig an unseren Lebenswegen und laufen auch manchmal einfach auseinander. Trennungen in Liebesbeziehungen sind meist schmerzhafter.

Warum tun Trennungen so weh?

Eine Trennung ist wie ein Schnitt durchs Fleisch. Da wird etwas durchgeschnitten, was gefühlt für einen Partner zusammengehört, und das tut furchtbar weh. Trennungen schmerzen körperlich wie auch seelisch.

Wovon hängt es ab, wie stark der Schmerz empfunden wird?

Wie Menschen eine Trennung erleben und wie stark der Schmerz ist, hängt auch davon ab, wie bedeutend der Mensch für sie war. Es geht dabei weniger um dessen Charakter oder die Person an sich. Relevant ist, wie die Beziehung zu diesem Menschen erlebt wurde.

Wenn sich der Partner trennen möchte, ist das häufig auch eine Kränkung. Es kommen Zweifel auf und man stellt sich Fragen wie: „War ich nicht gut genug?“ Oder: „Warum will er mich nicht, aber eine andere Person?“

Wenn die Partnerschaft auf einem Ungleichgewicht basiert hat und zum Beispiel ein Partner durch den anderen wichtige Bestätigung bekommen hat, dann wird durch die Trennung Selbstwert entzogen, und man fällt in ein Loch.

Wie lange kann der Trennungsschmerz anhalten?

Eine Trennung ist ein Trauerprozess, und Trauer braucht Zeit. Ich halte zwei Jahre für durchaus angemessen. In dieser Zeit macht man verschiedene Phasen durch. Danach kann man sich neu binden.

Was hilft dabei, die Trennungsschmerzen zu überwinden?

Wenn man sich von jemandem trennt oder jemanden verliert, tut das weh. Aber es gehört auch zum Leben dazu, und es ist wichtig, diesen Trauerprozess zu durchleben. Die nicht gelebten Gefühle können auf Dauer belasten. Problematisch ist, wenn man sich sofort in eine neue Beziehung begibt. Das ist wie ein Notverband auf einer Wunde und hilft nur vorübergehend. Wenn die Trauerarbeit innerhalb der neuen Beziehung stattfindet, ist das von vornherein eine Belastung für diese Beziehung.

Hilfe bei einer Trennung – du bist nicht allein!

In Baden-Württemberg gibt es diverse Gruppen und Angebote, die dich bei der Verarbeitung einer Trennung unterstützen. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann befreiend wirken und dir neuen Lebensmut für einen Neubeginn geben. Wir haben für dich einige passende Anlaufstellen herausgesucht:

Was kann man selbst tun, um den Abschied zu verarbeiten?

Zur Trauerarbeit gehört, dass man Erinnerungsgegenstände wegpackt. Am besten nimmt man jedes Stück in die Hand und trennt sich davon. Wenn man anfängt, tut jeder Gegenstand weh, aber durch diesen Prozess zu gehen, hilft auf lange Sicht.

Natürlich darf man sich auch ablenken lassen und Pausen einlegen und etwas Schönes machen, zum Beispiel mit einer Freundin spazieren gehen oder einen Film im Kino ansehen. Auch Sport oder ein neues Hobby tut gut, weil man dem Gedankenkarussell dabei entflieht.

Hilft es, wenn man versucht, weiterhin Freunde zu bleiben, oder ist ein klarer Schlussstrich besser?

Wenn Schluss ist, dann ist Schluss, auch wenn sich jemand schwertut, sich zu lösen. Schwierig ist der Trennungsprozess, wenn man gemeinsame Kinder hat, weil man da natürlich weiterhin in Kontakt bleibt.

Ist eine Trennung einfacher zu verarbeiten, wenn man sie selbst ausgesprochen hat?

Nicht unbedingt. Auch dann kann eine Trennung wehtun, denn da fehlt eine Person, und das gilt es zu verarbeiten. Viele fallen in ein Loch, weil sie das nicht erwartet haben. Oder sie leiden unter Schuldgefühlen, weil sie ihren Partner verlassen haben.

Kann man aus einer Trennung etwas Positives für sich mitnehmen?

In einem Trennungsprozess reflektieren Menschen auch immer ihr Leben. Es ist eine Gelegenheit, sich selbst kennenzulernen und dem Leben vielleicht noch mal eine andere Wendung zu geben.

Wann braucht es Hilfe von anderen bei der Bewältigung der Trennung, und welche empfehlen Sie?

Manchmal kann eine nicht bewältigte Trennung eine psychische Erkrankung auslösen. Dann ist eine Therapie hilfreich. Der Hausarzt ist ein guter Ansprechpartner und kann Kontakte vermitteln. Allerdings ist eine Therapie selten notwendig. Denn der Trauerprozess läuft meist von allein ab.

Es ist gut, wenn jemand begleiten kann, beispielsweise eine gute Freundin. Hilfreich ist ein neues Hobby, eine ehrenamtliche Aktivität oder ein Haustier. Ein Hund hilft nach einer Trennung gleich mehrfach: Er ist ein treuer Gefährte, hält in Bewegung und sorgt für Kontakte zu anderen.

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