#Betroffenengeschichte am 25.01.2023

Sport bei chronischen Krankheiten

Ein älterer Mann mit chronischer Krankheit wird von seinem Trainer bei einer Kraftübung unterstützt.
iStock / PeopleImages

Wir sprechen mit Fritz Masuch, der am Trainingsprogramm „MultiPill-Exercise“ teilnimmt. Das Ziel: Bei Menschen mit chronischen Erkrankungen mehr sportliche Aktivität in den Alltag zu integrieren.

Fritz Masuch ist 65 Jahre alt und lebt in Tübingen. Früher viel sportlich aktiv, fehlte ihm durch einen Pflegefall in der Familie die Zeit, sich gezielt zu bewegen. Durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren – einem Rauchstopp mit anschließender Gewichtszunahme sowie einem Job, der auf die Knochen ging – leidet er heute an mehreren gesundheitlichen Einschränkungen. Weil es vielen Menschen so geht wie Fritz Masuch, wurde das Trainingsprogramm MultiPill-Exercise ins Leben gerufen. Es soll chronisch Kranke dabei unterstützen, wieder mehr körperliche Aktivität in den Alltag zu integrieren.

In unserem Interview erzählt Fritz Masuch, wie er auf das Programm aufmerksam geworden ist, welche Erfahrungen er gemacht hat und ob er auch in Zukunft mehr Bewegung in seinem Leben haben wird.

Herr Masuch, wie sind Sie auf das Trainingsprogramm MultiPill-Exercise aufmerksam geworden?

Ich wurde von der AOK im Juli 2022 angeschrieben, weil ich verschiede körperliche Einschränkungen habe. Ich habe eine Katheterablation hinter mir, Operationen am rechten und am linken Knie aufgrund von Arthrose und bin leider übergewichtig. Ich selbst weiß und wusste natürlich um diese gesundheitlichen Probleme und habe versucht, mein Übergewicht selbstständig zu verbessern.

Von Erfolg gekrönt war das leider nicht. Viel eher war ich froh, nicht zuzunehmen. Deshalb war ich dankbar, als mir mit dem MultiPill-Exercise Programm ein Weg aufgezeigt wurde, wie ich das vielleicht besser und dauerhafter in den Griff bekommen könnte.

Ich wurde dann zu einer Voruntersuchung eingeladen. Zusätzlich konnte ich noch eine Empfehlung meiner Hausärztin mitbringen, die meine Teilnahme an der Studie nur sinnvoll fand. 

Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Tübingen betreibt die AOK Baden-Württemberg das Forschungsprojekt MultiPill-Exercise. Dabei handelt es sich um ein Trainingsprogramm für Versicherte, die an mehreren chronischen Erkrankungen, zum Beispiel Arthrose der Knie- oder Hüftgelenke, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Übergewicht leiden. 

MultiPill-Exercise ist ein 24-wöchiges Bewegungsförderungsprogramm, welches ein systematisches, individuell angepasstes Kraft- und Ausdauertraining, Ernährungstipps, theoretisches Hintergrundwissen und individuelle Beratungen zur Bewegungsförderung kombiniert. 

Innerhalb eines Zeitraums von 24 Wochen können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen verschiedene Sportarten unter professioneller Anleitung ausprobieren. Zusätzlich gibt es Inhalte zur Ernährungs- und Trainingslehre. Ziel des Forschungsprojekts ist es, chronisch Kranke dabei zu unterstützen mehr körperliche Aktivität in den Alltag zu integrieren – und das auch dauerhaft.

Wenn du interessiert bist, kannst du dich online über die Teilnahmevoraussetzungen und den Ablauf des Programms informieren. Auch dein Hausarzt oder deine Hausärztin kann dich empfehlen. Oder du wendest dich an deine AOK und lässt dich über das Forschungsprojekt und über die nächsten Kursangebote informieren.

Welche Kurse haben Sie im Rahmen des Programms besucht?

Seit Mitte September 2022 habe ich zweimal die Woche das Angebot besucht. Es fand im Gesundheitszentrum Tübingen statt. Zum einen waren das Einzeltermine, bei denen ich gelernt habe, Übungen an Trainingsgeräten richtig durchzuführen. Dafür wurde ich angeleitet und begleitet, denn am Anfang muss man erst erfahren, wie man die Geräte einstellen soll.

Parallel dazu gab es Seminare in der Gruppe, die eine Kombination von Bewegung und Frontalunterricht waren. Unter anderem gab es zwei Seminare zur Ernährungsberatung und daran anknüpfend zwei Termine zur individuellen Ernährungsberatung. 

Die Gruppe habe ich übrigens als sehr motivierend empfunden. Durch die positive Gruppendynamik konnte man sich gut gegenseitig unterstützen. Anfangs gab es auch noch andere Sportarten zum Ausprobieren, die zum Teil von externen Sportstudios organisiert wurden, also zum Beispiel Yoga oder Thai Chi. Darin habe ich mich aber nicht wiedergefunden.

Welche Erfolge haben Sie mit dem Trainingsprogramm bereits erzielen können?

Ich habe bereits drei oder vier Kilo abgenommen. Von meinem Ziel von acht oder zehn Kilo bin ich damit noch etwas entfernt, aber es ist ein erster Schritt. Außerdem bin ich deutlich beweglicher geworden: Ich merke, dass ich manche Bewegungen, die ich lange nicht machen konnte, wieder ausführen kann.

Ich weiß auch, wie ich mich bewegen kann, um weniger Schmerzen zu haben. Weil mir das Laufen nicht guttut, lege ich Wege lieber mit dem Fahrrad zurück. Manchmal ist das mühsam aufgrund der schlechten Witterung. Da trifft es sich gut, dass das Sportstudio nicht witterungsabhängig, lange geöffnet und leicht zu erreichen ist. Das hilft dabei, regelmäßig hinzugehen und damit „am Ball zu bleiben“.

Glauben Sie, dass Sie auch weiterhin körperliche Aktivität in Ihren Alltag integrieren werden?

Zum Gerätetraining gehe ich aktuell noch wöchentlich und darf die Kurse wohl noch bis März nutzen, um sicherer zu werden. Nur Gruppenseminare finden nicht mehr statt.

Ich habe gemerkt, dass ich nach realistischen Stellschrauben schauen muss und dann an diesen Punkten etwas ändern kann. Seit Mitte Dezember bin ich in einem Fitnessstudio angemeldet und trainiere an den fünf Geräten, die ich auch im Gesundheitszentrum der AOK kennengelernt und genutzt habe. Mein Vertrag in diesem Studio läuft ein Jahr lang, darauf habe ich mich festgelegt und gehe nun tapfer hin.

Dahingehend habe ich mich geändert. Früher dachte ich immer, ins Sportstudio gehen nur Bodybuilder – und fand das lächerlich. Das Fitnessstudio ist eine gut umsetzbare Änderung in meinem Tagesablauf und es macht trotzdem einen Unterschied. Denn jetzt gehe ich eben vormittags trainieren, statt mir eine Zeitung zu holen, mich ins Café zu setzen und mit Tee und Butterbrezel die Zeitung zu lesen. Und so habe ich vor, die Spur, auf der ich jetzt sport- und ernährungstechnisch bin, nicht wieder zu verlieren. 

Was können Sie jetzt gegen Ende des Programms für sich mitnehmen?

Gelernt habe ich vor allem, dass man einfach anfängt. Es ist gar nicht so schwierig, an seinem Leben etwas zu ändern. Dafür muss man den Riesenberg unlösbar erscheinender Probleme in kleinere, lösbare Teilprobleme aufteilen.

Das gilt auch für die Ernährung. In den Kursen habe ich mich mit anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen dahingehend ausgetauscht: Eigentlich weiß man, was man falsch macht. Man muss diese Gewohnheiten dann nur wirklich langfristig ändern.

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