#Sport am 06.12.2021

Eisbaden: Ein kalter Kick für die Sinne

Ein Mann beim Eisbaden in einem zugefrorenen See.
Stocksy / Hernandez & Sorokina

In Skandinavien ist es längst gute, kalte Tradition. Auch in Deutschland hat das Eisbaden immer mehr Anhänger. Doch wie wirkt es auf den Organismus und tut es dem Körper wirklich gut?

Warum stürzen sich Menschen bei Minusgraden in eisige Fluten? Passionierte Eisschwimmer bringen dir ihre außergewöhnliche Leidenschaft näher, die auch im Ländle immer beliebter wird. Darüber hinaus erklärt ein Experte, ob das Winterschwimmen wirklich gesund ist und welche Risiken du beim Sprung ins kühle Nass beachten musst.

Eisbaden – der aufregende Sprung in frostige Fluten

Die Luft hat um die vier Grad, das Wasser gerade mal die Hälfte. Es regnet und stürmt. Trotzdem kann ich es kaum abwarten, die warme Winterkleidung mit dem Badeanzug zu tauschen. Zaghaft und ungeduldig zugleich geht es dann in das eiskalte Wasser. Es fühlt sich an wie kurz vor einer wichtigen Prüfung. Aber umkehren gilt nicht. Dann der erlösende Moment: das Eintauchen bis in Brusthöhe. Ein Weckruf, der alle Sinne schärft. Das Wasser umhüllt mich wohlig – wie eine leichte Feuchtigkeitscreme, die meine Haut durstig aufsaugt. Augenblicke, in denen mich die Kälte angenehm umgibt. Ob mit vorangegangener Gymnastik oder einem Saunagang zuvor – einfach herrlich!

Wer aktuell am Ufer von Seen, Flüssen oder am Meer spazieren geht, trifft auf immer mehr Menschen, die dort ein winterliches Bad nehmen. Auch Vereine wie der „TSV Lindau“ freuen sich über steigende Mitgliederzahlen. Aber ist der Trend auch gesund?

Eisschwimmen stärkt Herz und Immunsystem

„Es kommt vor allem auf die Dauer an. Drei Minuten sollte das Eisbad nicht übersteigen“, erklärt Hanns-Christian Gunga, Professor für Weltraummedizin und extreme Umwelten an der Berliner Charité.

„Ein kurzer Kältereiz von nur wenigen Minuten ist ein gutes Training für die Gefäße“, so der Experte. „Denn wenn die Temperatur auf der Haut sinkt, ziehen sich die Gefäße schlagartig zusammen. Das Blut von Armen und Beinen wird ins Körperinnere geleitet, um die Organe vor der Kälte zu schützen.“

Beim Aufwärmen weiten sich die geschlossenen Gefäße wieder, das Blut durchströmt dann den Körper regelrecht. „So werden auch die Schleimhäute besser durchblutet, Viren und Bakterien wird das Eindringen in den Nasen-Rachen-Raum erschwert.“

Wie gesund ist Schwimmen im Winter wirklich?

Bislang gibt es nur wenige belastbare Studiendaten, die belegen, ob und wie gesund Winterbaden wirklich ist. Als sicher gilt: Durch die freigesetzten Endorphine fühlt sich Eisbaden für die meisten sehr gut an. Bei einer Studie des National Institute of Health in den USA stellte sich außerdem heraus, dass die Fettverbrennung durch den Kältereiz beeinflusst werden kann: Das braune Fettgewebe, das Energie (Zucker und Fett) fast ausschließlich in Wärme umwandelt, reagiert auf niedrige Temperaturen.

„Das ist eine Art Sicherheitsmechanismus des Körpers, um nicht auszukühlen“, erklärt Professor Gunga. „In der Wissenschaft wird derzeit diskutiert, wie viele Kilokalorien täglich dadurch tatsächlich extra verbraucht werden. Manche Studien ergaben 500 Kilokalorien mehr, bei anderen konnte nur ein zusätzlicher Verbrauch von 30 Kilokalorien pro Tag festgestellt werden.“

Eisbaden hat aber noch einen weiteren wichtigen gesundheitlichen Aspekt für das Herz-Kreislauf-System: Der Wechsel von Kälte und Wärme kann sich positiv auf die Elastizität der Arterien auswirken. Aber Professor Gunga warnt: „Einem Kälteschock sollte sich nur aussetzen, wer keine Herz- oder Gefäßprobleme hat. Klarheit gibt ein Gesundheits-Check beim Arzt.“

Daneben sollte bereits im Sommer eine Vorbereitungsphase auf das Winterschwimmen starten: Regelmäßige Wechselduschen, Kneipp-Anwendungen und Schwimmen bei kühleren Außentemperaturen sind ein gutes Training für das kalte Bad im Winter. Schwangere sollten laut Professor Gunga auf das Eisbaden komplett verzichten.

Eisschwimmen – kenne die Risiken!

Direkt nach dem Einstieg ins Wasser reagiert der Körper auf die Kälte: Die Herzfrequenz kann deutlich absinken, die Muskeln ziehen sich zusammen, ein Kältezittern tritt ein. Muskelkrämpfe sind möglich. Auch nach dem Eisbaden können Reaktionen auftreten: So können Atemnot, Husten und Bluthusten Anzeichen einer sogenannten Wasserlunge sein, die in manchen Fällen durch das Winterschwimmen ausgelöst wird.

Die sehr niedrigen, je nach Wetterlage sogar extremen Temperaturen, können dem Körper Schaden zufügen – besonders bei unerfahrenen und untrainierten Neulingen. Daher ist vorab in jedem Fall mit dem Arzt zu klären, ob Eisbaden gesundheitlich infrage kommt.

Eisbaden macht glücklich und mental stark

Auch die Psyche profitiert laut dem Experten vom Kältereiz: „Nicht nur die Durchblutung der Hirngefäße wird gefördert. Der Körper schüttet auch einen Hormoncocktail aus Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin und Endorphinen aus. Das sorgt für das Glücksgefühl.“ Aber als besonders positiven Aspekt sieht Professor Gunga, dass Eisbaden die mentale Stärke fördert. „Der Erfolg des eigenen Handelns ist sofort spürbar. Ein Projekt, das Überwindung kostete, wurde gemeistert. Dieser Effekt macht selbstsicher – und dafür braucht es nur drei Minuten.“

Wieder aufgewärmt und in warmen Klamotten lasse ich mich zu Hause mit einem herrlichen Kribbeln auf der Haut und einem warmen Glücksgefühl im Bauch aufs Sofa sinken. Jede Zelle des Körpers scheint müde und hellwach zugleich. Und das Gefühl ist da, jede Hürde im Leben überwinden zu können. Schon allein dafür lohnt sich das Bad in den kalten Fluten.

Eisiges Kult-Event: Neujahrsschwimmen im Ländle

Bereits zum 33-mal fand 2020 das traditionelle Neujahrsschwimmen in Rheinau-Linx statt. In diesem Jahr musste das Event aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen. Normalerweise wagen alljährlich Hunderte mutige Eisschwimmer das Bad im etwa drei Grad kalten Erlenparksee für den guten Zweck. Seit 2005 fließt der Erlös der Aktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse zu. Das gespendete Geld bleibt in der Region und kommt Behinderten und Menschen in Not zugute.

Winterschwimmen: Experten-Tipps für den Trendsport

  • Gute Vorbereitung:
    • Ab Sommer im Freien baden: Wichtig ist, regelmäßig – mindestens einmal pro Woche – in einem See, Fluss oder im Meer zu schwimmen. So gewöhnt sich der Körper langsam an das kühler werdende Wasser. Je kälter es ist, desto kürzer sollte der Aufenthalt im Wasser sein. Bei Temperaturen um 0 Grad Celsius genügen einige Sekunden.
      Was du generell beim Baden in Seen und Flüssen beachten musst, kannst du in unserem Artikel zum Thema nachlesen.
    • Wechselduschen: Das Abwechseln warmer und kühler Wassergüsse bereitet den Körper auf das Winterbaden vor. Ungeübte können mit lauwarmem Wasser als „kaltem“ Guss anfangen.
    • Saunieren: Das gezielte Abkühlen des Körpers nach einem Saunagang, zum Beispiel durch kalte Güsse oder im kalten Tauchbecken, wirkt ähnlich wie das Winterbaden.
    • Niemand muss winterbaden: Die für die Vorbereitung geeigneten Alternativen können das Eisbad auch gut ersetzen.
  • Immer in Begleitung: Für den Notfall sollte immer jemand dabei sein, der helfen kann – wenn er auch nur am Ufer steht.
  • Sanfter Einstieg: Wer zum ersten Mal zum Eisbaden geht, sollte nur wenige Sekunden im Wasser bleiben. Dann langsam steigern. Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden, insbesondere mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Gefäße, sollten auf das Eisbaden verzichten. Auch bei Nierenerkrankungen ist es nicht empfehlenswert. Und: Infektionen und Erkältungen sollten gut auskuriert sein, bevor man sich ins kalte Wasser wagt.
  • Kopf über Wasser: Nicht ins Wasser springen, sondern langsam und Schritt für Schritt eintauchen. Der Kopf sollte immer trocken bleiben. Hilfreich: Mütze oder Badekappe tragen.
  • Warmhalten: Sowohl vor als auch nach dem Baden gut aufwärmen, das senkt das Risiko einer Unterkühlung. Wärme spenden zum Beispiel zügiges Gehen oder Joggen, warme Kleidung, ein Saunagang oder Heißgetränke.

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