#Lebensstil am 12.10.2022 aktualisiert am 27.10.2022

Mediennutzung bei Kindern: So können Eltern mit Konflikten umgehen

Zwei Kinder schauen begeistert auf einen Bildschirm.
iStock / LordRunar

Digitale Medien und Endgeräte nehmen im Alltag eine immer größer werdende Rolle ein – und das schon ab dem Kindesalter. In vielen Haushalten stellen Eltern daher altersgerechte Regelungen zur Mediennutzung auf. Das kann bei Geschwistern zu Unstimmigkeiten führen.

Torsten Traub ist Referatsleiter für Schulische Medienbildung am Landesmedienzentrum Baden-Württemberg – und selbst Vater von zwei Kindern. Im Interview erklärt er, wie Eltern in Streitsituationen agieren und Konflikten vorbeugen können, wenn es um den Medienkonsum von Geschwisterkindern geht.

Sollten Medien wie Smartphones, Tablets und Fernseher für Kinder frei zugänglich sein?

Das hängt sehr vom Alter der Kinder ab. Ab einem gewissen Zeitpunkt werden Kinder automatisch ganz frei auf Medien zugreifen können, weil beispielsweise der Fernseher in der Wohnung steht, vielleicht nicht immer jemand zuhause ist oder weil die Kinder schon selber Smartphone und Tablet besitzen.

Die Alternative zum freien Zugriff ist dann, dass immer ein Erziehungsberechtigter dabei ist – das funktioniert nicht. Ab einem gewissen Alter ist also der freie Zugang unumgänglich. Dieser kann jedoch eingeschränkt werden, etwa indem eine Software dazwischen liegt, die die Bildschirmzeit limitiert oder nur gewisse Funktionen zulässt. Je früher ein Kind Zugriff auf digitale Medien und Endgeräte hat, desto mehr Begleitung durch die Eltern ist notwendig.

Abhängig vom Entwicklungsstand ist das dann ein gewisser Aufwand: Ein Zweit- oder Drittklässler muss vielleicht eng begleitet werden, während ein Kind in der siebten oder achten Klasse schon viel selbstständiger ist und auch ohne Eltern agieren kann.

Wie stellen Eltern sicher, dass nur die Kinder Zugang zu Medien haben, die alt genung sind?

Das ist eine Frage der Absprache, wie bei anderen Punkten auch. Der große Bruder darf mit 13 schon allein mit dem Fahrrad zur Schule fahren, die kleine Schwester mit acht darf das noch nicht. In ganz vielen Punkten haben wir unterschiedliche Regeln zuhause, bei denen wir uns überlegen müssen: Wie setzen wir sie durch?

Sind die Geräte immer für alle frei zugänglich, kann man die Größeren in die Mitverantwortung nehmen, indem man ihnen sagt: „Du darfst das Endgerät selbst nutzen, aber es deinem kleinen Geschwister nicht zugänglich machen.“ Bei Familien, in denen der Altersabstand vier, fünf oder mehr Jahre beträgt, nehmen ältere Geschwister meist in vielen Punkten eine verantwortungsvollere Rolle ein. Es müssen Regeln gefunden werden, die für alle fair sind.

Beispielsweise kann die Mediennutzung für die Kleinen auf einen gemeinsamen Wohnraum beschränkt sein. Das heißt, die Kinder dürfen Tablets, den Fernseher und auch die Spielkonsole nutzen – allerdings nur in gemeinsamen Wohnbereichen. Das ältere Kind hingegen darf auch mal mit dem Tablet im eigenen Zimmer verschwinden. So ist ganz klar, wer was darf und was nicht.

Welche weiteren Regelvorschläge haben Sie für die Mediennutzung bei Geschwistern?

Wichtig ist auch die Altersbeschränkung, vor allem bei dem Konsum von Filmen oder Spielen. Ab welchem Alter dürfen die Kinder welche Medien konsumieren – und wie lange? Im gemeinsamen Wohnbereich kann die Medienlandschaft zusammen erkundet werden. Dann kann darüber gesprochen und klargemacht werden, dass je nach Reifegrad das eine Kind einen Film schauen darf und das andere nicht.

Gleiches gilt für die Dauer des Konsums. Man muss überlegen: Welche Zeit ist eine vernünftige Zeit? Ein Grundschüler hat zum Beispiel eine halbe Stunde bis Stunde Mediennutzung am Tag, während es bei älteren Kindern vielleicht 90 Minuten sind. Das muss individuell vereinbart werden. Für Eltern ist es vor allem dann ein großer Spagat, wenn sie Kinder haben, die altersmäßig nah aneinander liegen und bei denen sie unterschiedliche Regeln gelten lassen müssen.

Hier ist die Bedürfnisorientierung besonders wichtig. Das heißt, es geht nicht darum, was das Kind will, sondern darum, was es braucht. Was ist das Richtige für das Kind in diesem Alter? Was tut ihm gut? Beispielsweise bedürfen Ausnahmesituationen auch Ausnahmeregelungen – wie etwa aktuell, wenn Kinder in Quarantäne sind. Dann gelten für diese Woche ganz andere Regeln, weil man einfach etwas flexibler sein muss. Bei aller Konsequenz gehört auch eine gewisse Flexibilität dazu.

Das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg stellt kompetente Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen für Medienbildung zur Verfügung. Das Online-Portal bietet Informationen zu den verschiedenen Angeboten sowie Informationen rund um die Themen Medienbildung und Jugendmedienschutz. Ebenso unterstützen die Kreis- und Stadtmedienzentren an rund 50 Standorten im Land Schulen und Eltern in medienpädagogischen Fragen.

Unterschiedliche Freiheiten unter Kindern können zu Konflikten führen. Wie können Eltern den Kindern die Unterschiede erklären und damit Streit vorbeugen?

Wichtig ist es, die Regeln transparent zu vermitteln. Das klappt, indem man beispielsweise sagt: „Dein großer Bruder durfte mit zehn auch noch kein Smartphone haben.“ Unterschiedliche Dinge, unterschiedliche Sachverhalte, unterschiedliche Menschen verlangen einen unterschiedlichen Umgang mit ihnen. Transparenz macht das verständlich.

„Deine große Schwester fährt jeden Tag mit der Bahn in die weiterführende Schule. Sie braucht ein Handy, damit sie uns erreichen kann. Du musst nur um die Ecke, deswegen benötigst du keines. Wenn du selbst einmal die Schule wechselst, wirst du auch ein Telefon bekommen.“ Solche Dinge lassen sich immer erklären – das gilt auch für Filme: „Dieser Film ist noch nicht für dich geeignet, da bekommst du vielleicht Albträume, du bist noch etwas zu jung dafür. Wenn du einmal so alt bist wie deine große Schwester, darfst du ihn auch sehen.“

Wichtig ist also, nicht nur unterschiedlich zu behandeln, sondern auch zu erklären, warum Regeln so sind wie sie sind. Dann verstehen Kinder das. Sie werden sich trotzdem ärgern und darüber beschweren, dass das Leben ungerecht ist. Solange wir aber transparent kommunizieren, werden unsere Kinder uns langfristig nicht böse sein, wenn wir ihnen nicht das gleiche zubilligen wie dem älteren Geschwisterkind.

Woran sollte sich die Auswahl der Medien orientieren, wenn Geschwister sie gemeinsam konsumieren?

Ich vergleiche es einmal so: Wenn Sie sich mit Ihrem Kind ein Getränk teilen – bestellen Sie Wein oder Apfelschorle? Natürlich muss sich die Medienauswahl an dem jüngeren Kind orientieren. Das ältere nimmt keinen Schaden davon, wenn es einen Film für eine jüngere Zielgruppe schaut, während wir jüngeren Kindern bestimmte Filme aus gerechtfertigten Gründen vorenthalten. Es gibt einen Jugendschutz.

Wir wollen einen Sieben- oder Achtjährigen davor schützen, dass er Bilder sieht, die ihn vermeintlich verstören, von denen er Schaden davonträgt oder die er schwer verarbeiten kann. Von daher geht die Orientierung immer nach unten. Der Jüngste ist die Benchmark.

Wie sollten Eltern mit Konfliktsituationen umgehen?

In allen Situationen, in denen es um Streit, um Konflikte geht, ist es eine Kompetenz, die es zu erlernen gilt, Unstimmigkeiten selbst auszuhalten und selbst zu klären. Erziehende sollten beobachten: Inwieweit können unsere Kinder den Streit selbst austragen? Kinder, die es nicht gewohnt sind, ihre Konflikte selbst zu lösen, lernen es auch nicht. Dann kann es passieren, dass sie langfristig nicht in der Lage sind, ihre Kämpfe allein auszufechten.

In vielen Kontexten, in denen Kinder sich bewegen – wie etwa in der Schule, im Freundeskreis oder im Fußballverein – müssen sie Konflikte in Abwesenheit von Erwachsenen lösen. Wenn wirklich eine Sackgasse entsteht, kann man in das Gespräch eingreifen und mit den Kindern sprechen. Dabei ist es wichtig, nicht mit einer „Basta-Haltung“ aufzutreten, sondern auch Fragen zu stellen. Warum stört dich das jetzt? Was ist das Problem? Was möchtest du gerade? Kannst du dich in dein Geschwister hineinversetzen?

Man sollte also das Gespräch anregen und den Kindern die Problemlösung nicht direkt abnehmen, sondern sie dabei unterstützen, die Problemlösung selbst zu schaffen. Wenn alle Stricke reißen, kann immer noch ein Machtwort gesprochen werden.

Wie vermittelt man dem älteren Kind fair, Rücksicht auf das jüngere Geschwisterteil zu nehmen?

Also erstmal muss das ältere Kind nicht ständig Rücksicht nehmen. Das ältere Kind muss einen Rahmen haben, in dem es sich altersgemäß entwickeln darf und sich nicht immer am jüngeren Geschwisterteil orientieren muss. Eltern sollten überlegen: Wo finden wir Freiräume, die dem älteren Kind einen altersgerechten Medienkonsum ermöglichen und ihm das Gefühl nehmen, ständig zurückstecken zu müssen?

Beispielsweise ist in vielen Familien ein Zweit- oder Drittbildschirm vorhanden, sodass auch ein getrennter Filmkonsum stattfinden kann. So können bei zwei Kindern beide zeitgleich altersgerechte Filme schauen. Oder man richtet als Familie getrennte Medienzeiten ein, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. Es finden sich immer Lösungen, seine Kinder getrennt mit Dingen zu beschäftigen – das schafft man in anderen Punkten ja auch.

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