#Tinnitus am 29.01.2019 aktualisiert am 20.01.2020

„Wenn ich Stress habe, freut sich mein Tinnitus“

Leben mit Tinnitus: Franziska schaut vom Balkon nachdenklich in die Ferne.
Hannes Kutza

Zum ersten Mal Tinnitus hatte Franziska Thimm aus Freiburg, als sie siebzehn Jahre alt war. Jahre später meldet er sich plötzlich wieder zurück.

„Als Jugendliche besuchte ich ein Popkonzert, bei dem ich sehr nah an den Lautsprechern stand“, erinnert sich Franziska Thimm. „Am nächsten Morgen machte sich ein schriller Ton in meinem rechten Ohr bemerkbar, der immer wieder auftauchte.“ Die Freiburgerin bemerkte ihren Tinnitus genau dann, wenn es besonders ruhig war. „Zum Beispiel abends, wenn ich entspannt im Bett lag.“ Tagsüber nahm sie das hohe Pfeifen kaum wahr.

Ein Summen, Pfeifen oder Rauschen im Ohr

Franziska ging zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der die üblichen Hörtests vornahm. Einen Hörschaden diagnostizierte er jedoch nicht. „Es gab Phasen, in denen der Tinnitus komplett verschwand. Dann tauchte er auf einmal wieder für ein paar Minuten auf.“ Je weniger sich die Freiburgerin auf das Ohrgeräusch konzentrierte, desto weniger störend empfand sie es.

„Wichtig ist, dass man seinen Fokus auf etwas anderes als den nervigen Ton richtet.“

Ihr Arzt riet Franziska damals, sich von starken Lärmquellen fernzuhalten. Er verschrieb ihr Gingko-Tabletten, ein pflanzliches Mittel zur Förderung der Durchblutung. Sie hatte nicht den Eindruck, dass ihr das viel half. Manchmal hörte Franziska ein Rauschen im Ohr. An anderen Tagen war es eher ein Pfeifen oder Summen. „Zum Glück wurde meine Lebensqualität nicht akut beeinträchtigt“, erinnert sich Franziska. Die Geräusche traten bei der angehenden Lehrerin häufig abends auf. Trotzdem konnte sie nachts meistens gut schlafen. Etwa drei Jahre später verschwand der Tinnitus.

„Und plötzlich war das Pfeifen wieder da“

Fast zwanzig Jahre lang hatte Franziska Ruhe, bis sich das Pfeifen zurückmeldete. Dieses Mal auf dem linken Ohr. „Ich habe nach meiner Promotion mein Lehramtsreferendariat absolviert und parallel dazu weiterhin an der Uni gearbeitet. Das war eine extrem stressige Zeit.“ Die Freiburgerin war unter der Woche bis nachmittags zum Unterrichten in der Schule. Danach arbeitete sie häufig an der Uni und jeden Abend am Schreibtisch. Am Wochenende kamen Seminare dazu.

Ein Tinnitus ist häufig die Folge einer Überlastung. Im gesunden Zustand kann das Gehirn Störgeräusche ignorieren – quasi überhören. So nimmt man nicht ständig seinen eigenen Herzschlag oder Blutfluss wahr. Vor allem bei chronischem Stress und Schlafmangel verliert der Körper jedoch die Fähigkeit, die lästigen Umgebungsgeräusche zu filtern. Ohrgeräusche tauchen auf.

Mensch und Ohr im Dauerstress

Nachdem sie alle ihre Prüfungen bestanden hat, ist das Pfeifen in Franziskas Ohr wesentlich leiser und tritt etwa einmal am Tag für wenige Minuten auf. „Was bei mir viel hilft, sind Entspannungstechniken.“ Franziska geht es besser, wenn sie die Aufmerksamkeit auf etwas anderes als den nervenden Ton lenkt. „Das funktioniert bei mir prima mit Yoga und autogenem Training.“

Die Freiburgerin besuchte während ihres Studiums einen AOK-Kurs mit autogenem Training. Die Übungen helfen ihr noch heute, um den Körper zu entspannen. Auch einen Achtsamkeitskurs (Mindfulness Based Stress Reduction) empfand sie als sehr nützlich. „Dort habe ich gelernt, mich dem gegenwärtigen Moment zuzuwenden – unabhängig davon, ob er für mich angenehm oder unangenehm ist.“

„Zur Ruhe kommen ist das A und O“

In Phasen, in denen der Tinnitus wie ein Presslufthammer in ihrem Ohr pochte, halfen Kiefermassagen. „Ich habe eine leichte Fehlstellung im Unterkiefer. Manchmal wirken sich die Kieferverspannungen auf den ganzen Körper aus, vor allem bei Stress.“ Was Franziska auch hilft, ist ruhige Musik wie Klassik oder Meeresrauschen. „Die Geräusche verdecken das Fiepen und der Leidensdruck wird geringer.“

Am allerbesten ist die Vermeidung von Stress: „Ich fahre jetzt erst mal für drei Wochen in Urlaub, gehe wandern und werde viel lesen. Ich denke, das ist nach der stressigen Zeit für mich die beste Therapie.“

Erstmals auftretende Ohrgeräusche solltest du ernst nehmen. Wenn das Pfeifen, Rauschen oder Summen nach ein bis zwei Tagen nicht verschwunden ist, solltest du einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufsuchen. Bei Bedarf werden die Ohren, das Gehör und weitere Organe untersucht.

Experten-Antworten erhalten und mitdiskutieren

Melde dich jetzt an für Kommentare, Diskussionen und kompetente Antworten auf deine Fragen.

    veröffentlicht am 29.01.2019 aktualisiert am 20.01.2020
    Wissenschaftsjournalistin

    War nichts dabei?

    Einfach nochmal die Suche verwenden.
    oder
    Frage stellen